Autobahnkapelle in ehemaligem Tankstellengebäude in Hamm

"Tankstelle für die Seele" an der A2

Kirchen werden seit Jahren umgewandelt zu Restaurants wie das "Glückundseligkeit" in Bielefeld oder zu einem Klettergarten etwa in Gelsenkirchen. Oft zum Leidwesen der Gläubigen in den betroffenen Gemeinden. Um so tröstlicher, wenn es einmal andersherum geht: Nahe Hamm wurde eine ehemalige Tankstelle an der Ausfahrt der A2 zu einer Autobahnkapelle umgestaltet.

Autor/in:
Ingrid Piela
 (DR)

Dort, wo vor wenigen Jahren noch Sprit in den Autotank gefüllt wurde, kann von Sonntag an «die Seele aufgetankt werden». Der westfälische Präses Alfred Buß und NRW-Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) nehmen am Eröffnungsgottesdienst am ersten Advent teil.

Zu beiden Seiten der Autobahn A2 stehen in Höhe Hamm-Rhynern Gebäude, die als denkmalgeschütztes Ensemble «Tor nach Westfalen» heißen. Das jüngere der beiden 1937 und 1947 erbauten Gebäude auf der Nordseite der A2 ließ der evangelische Kirchenkreis Hamm in diesem Jahr entkernen und herrichten. Vorausgegangen war eine zweijährige Planungsphase mit monatelange Verzögerungen, weil die zuständige Behörde den Baubeginn mehrmals verschob. Grund waren aufwendige Verhandlungen zu Eigentumsfragen. Die Tankstellen-Vorbesitzerin Tank und Rast GmbH musste das Gebäude wieder an den Bund übertragen, der nun für die Unterhaltskosten zuständig ist.

Fassade unverändert
Im ersten Bauabschnitt ließ der Bund ab April den Gebäudestand sichern und eine Verkehrsanbindung zu der nur 30 Meter entfernten Autobahn A2 schaffen. Die denkmalgeschützte Fassade des Gebäudes blieb unverändert. Der Kirchenkreis übernahm ab September die Innenarbeiten. In das Gebäude wurde ein Holzkubus eingebaut, der die Kapelle bildet. Der 70 Quadratmeter große Sakralraum misst jetzt eine Höhe von 6,80 Metern. Wände und Decke sind mit Streben aus dunkler Eiche und einer Füllung aus heller Birke verkleidet. Sonnenstrahlen fallen durch Lichtbänder aus satiniertem Glas, der Boden ist mit Sandstein-Platten belegt. Zurzeit erledigen Handwerker letzte Arbeiten.

Die Umgestaltung eines alten Tankstellengebäudes zu einer Autobahnkapelle ist nach Aangaben des Kirchenkreises Hamm bislang einmalig in Deutschland. «Die Kapelle ist notwendig», sagt der zuständige Architekt Lutz-Thomas Kusch, «wir werden alle mobiler, dem kann sich die Kirche nicht verschließen.» Die A2 gehöre zu den am meisten frequentierten Autobahnen Deutschlands. Der Kirchenkreis rechne mit 200.000 bis 300.000 Besuchern pro Jahr.

Weitere Kapelle entsteht
Bundesweit gibt es bislang 33 Autobahnkapellen. In Nordrhein-Westfalen soll neben Hamm im Rahmen der Kulturhauptstadt.2010 eine weitere neue Kapelle mitten im Ruhrgebiet direkt neben einem Zubringer zur Autobahn A 40 entstehen.

Das neu errichtete Gotteshaus in Hamm-Rhynern ist offen für alle Menschen, gleich welcher Konfession. Da passt es besonders gut, dass Altar, Ambo - der «Tisch des Wortes» - und Leuchter von katholischen Mönchen der Benediktiner-Abtei Königsmünster Meschede geschmiedet wurden. Der Corten-Stahl aus der Region wurde bewusst gewählt, weil das «Tor nach Westfalen» aus Fahrtrichtung Osten betrachtet doch gleichermaßen auch als «Tor zum Ruhrgebiet» gesehen werden kann.

Automatische Öffnung
Die Kapelle öffnet und schließt automatisch und steht den Gläubigen und Ruhesuchenden von 9 bis 21 Uhr offen. Mitglieder aus dem Kirchenkreis Hamm und der örtlichen Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) kümmern sich ehrenamtlich um die Pflege der Kapelle. Das Fürbittenbuch wird dabei in die wöchentliche Liturgie der Emmaus-Gemeinde eingebunden. Geplant ist zudem, zu besonderen Zeiten Veranstaltungen anzubieten. So soll an Heiligabend ein Gottesdienst sowohl Lkw-Fahrer, die dort rasten, als auch Reisende zu Beginn der Weihnachtsferien in Nordrhein-Westfalen zum «Auftanken der Seele» einladen.

Im Außenbereich der Autobahnkapelle laden Sitzbänke mit Wasserbecken zum Verweilen ein. Beim Verlassen der Rastanlage gibt die sechs Meter hohe Stahl-Skulptur «Das Tor» des Soester Bildhauers Michael Düchting dem Autofahrer noch einen Reisesegen mit auf den Weg. Natürliche Materialien spielten eine große Rolle bei der Gestaltung der Kapelle, für deren Einrichtung sich ein eigens gegründeter Förderverein engagiert.

Der Entwurf zur Autobahnkapelle geht auf einen Wettbewerb zurück, den Studenten der Universität Kassel für sich entscheiden konnten. Während für die äußere Gebäudehülle und die Außenanlagen der Bund zuständig ist, musste der Förderverein den Innenausbau stemmen. Die Hälfte der erforderlichen 90.000 Euro haben die 45 Mitglieder des Fördervereins bereits eingeworben.