Der holperige Weg zur Verleihung des Hessischen Kulturpreises

Wende im Bischofshaus

Hessens Ministerpräsident Roland Koch wird heute in Wiesbaden nach monatelangen Querelen den Hessischen Kulturpreis verleihen. Die ursprünglich für Anfang Juli geplante Feier wurde verschoben, weil die Auszeichnung einem der Preisträger, dem Schriftsteller Kermani, zwischenzeitlich aberkannt worden war. Ein Blick auf den holprigen Weg zur Verleihung.

Autor/in:
Peter de Groot
 (DR)

Ende August in Kardinal Karl Lehmanns Mainzer
Bischofshaus: Vier Herren sind zu einem Gespräch unter acht Augen zusammengekommen, etwas mehr als zwei Stunden wird es dauern. Neben Lehmann dabei: der in Köln lebende muslimische Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, und der frühere Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker.

Anschließend teilen sie mit, alle Aspekte der Kontroverse seien in einer offenen und respektvollen Atmosphäre diskutiert worden. Und Lehmann, Korn und Steinacker fügen hinzu, sie seien «der Ansicht, dass Herr Dr. Navid Kermani mit dem Hessischen Kulturpreis mitausgezeichnet werden soll». In diesem Sinne entscheidet dann auch wenig später das Preiskuratorium unter Vorsitz des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) - «einstimmig», wie es heißt.
Am Donnerstagabend nun verleiht Koch im Wiesbadener Kurhaus den mit insgesamt 45.000 Euro dotierten und diesmal für Verdienste um den interreligiösen Dialog vergebenen reis an Kermani, Korn, Lehmann und Steinacker.

Dass es dazu kommen würde, schien lange Zeit zumindest nicht wahrscheinlich. Im Mai tat die Landesregierung kund, das Preiskuratorium habe Kermani die Auszeichnung aberkannt. Kurz darauf wurde die ursprünglich für den 5. Juli vorgesehene Preisverleihung auf einen nicht näher bestimmten Termin im Herbst verschoben.
Lehmann und Steinacker nämlich hatten es abgelehnt, gemeinsam mit Kermani geehrt zu werden. Sie warfen ihm vor, in einem Zeitungsartikel das Kreuz als christliches Symbol fundamental und unversöhnlich angegriffen zu haben. Kermani hatte in besagtem Artikel über ein Altarbild von Guido Reni seine Ablehnung der Kreuzestheologie begründet und von «Gotteslästerung und Idolatrie» gesprochen, angesichts von Renis Kreuzigungsdarstellung aber auch
formuliert: «Erstmals dachte ich: Ich - nicht nur: man -, ich könnte an ein Kreuz glauben.»

Das Verhalten der hessischen Landesregierung offenbare ein «problematisches Verhältnis von Staat und Kirche», so Kermani unmittelbar nach dem Eklat. SPD, Grüne und Linke in Hessen machten ein integrationspolitisches Desaster aus und verlangten von Koch, sich bei dem Schriftsteller zu entschuldigen. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert bezog Position. Er sprach von einer «Staatsposse». Wenn Kermanis «kühner Artikel» über die Empfindungen eines Muslims bei der Betrachtung einer Darstellung der Kreuzigung Christi der Grund für die Entscheidung sei, dann solle der Staat «besser auf die Verleihung von Kulturpreisen verzichten», so Lammert.

Im Nachklang zu der bei dem Achtaugengespräch in seinem Bischofshaus eingeleiteten Wende in Sachen Kermani stellte Lehmann klar, es sei unwahr, dass er und Steinacker dafür gesorgt hätten, dass Kermani von der Preisträgerliste gestrichen worden sei. Er habe nie direkt darauf eingewirkt. Und weiter: Angesichts von Kermanis Zeitungsartikel über das Kreuz habe er in einem Schreiben an Koch erklärt, dass für ihn als katholischen Bischof die Annahme des Preises schwierig werden könnte, wenn Kermanis Aussagen keine Klarstellung fänden. «Ich musste es der entscheidenden Instanz der Preisverleihung überlassen, auf welchen Wegen eine solche Klärung möglich sein könnte», so Lehmann. Das sei aber nicht gelungen. Der Kardinal räumte ein, vermutlich hätten alle Seiten Fehler gemacht.

Die vertrauliche Unterredung in seinem Bischofshaus kam laut Lehmann ausschließlich auf seine Initiative und auf die von Steinacker zustande. Als das Preiskuratorium bald darauf Kermani wieder auf die Liste der Preisträger hob, teilte die Landesregierung mit, das Kuratorium sehe sich auch durch die Schwierigkeiten der letzten Monate darin bestärkt, mit der Verleihung des Kulturpreises für die Notwendigkeit eines verständnisvollen Umgangs der Religionen miteinander auf der Basis gemeinsamer kultureller Werte einzutreten.
Das sei offenkundig noch nicht ohne Spannungen möglich.