Buber-Rosenzweig-Medaille-Träger Erich Zenger zum Nahostbesuch Guido Westerwelles

"Er muss sich in eine große Tradition einreihen"

Außenminister Westerwelle reist in den Nahen Osten. Nach einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem wird er am Dienstag mit Israels Regierungschef Netanjahu und Staatspräsident Peres sprechen. Im domradio-Interview spricht der Theologe Erich Zenger, Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille, über seine Erwartungen an den FDP-Politiker und die besondere außenpolitische Verantwortung Deutschlands.

 (DR)

domradio: Warum ist Guido Westerwelle als Außenminister, der nun von der FDP kommt, vorbelastet?
Zenger: Das sind zwei Problemfelder, die ihn belasten. Das ist einmal, dass man in Israel mit großer Irritation registrierte, dass er die anti-israelischen Wahlkampagnen seines damaligen Parteifreundes Jürgen Möllemann 2003 nicht gebremst hat. Der hatte damals ja Flugblätter verteilt mit deutlich anti-israelischen und -jüdischen Stimmungen. Da hat er sich nicht energisch genug distanziert. Das andere, was aktuell eine Last ist, ist das Problem des Verhältnisses der Bundesrepublik zum Iran und die anti-israelische Iran-Politik bzw. das Atomprogramm. Ich hoffe aber, dass er das bewältigen wird. Hier hat die israelische Regierung die Befürchtung, dass Deutschland aus wirtschaftlichen Interessen heraus gegenüber Iran viel zu freundlich ist. Die Tatsache, dass der Wirtschaftsminister und der Außenminister FDP-Männer sind, sorgt nicht gerade dazu, das Klima besonders freundlich zu machen. Aber ich denke, dass Westerwelle das weiß und die entsprechenden Worte finden wird.

domradio: Westerwelle wird in Israel die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchen und Gespräche mit Spitzenpolitikern führen. Was wird von Westerwelle erwartet?
Zenger: Er muss zunächst deutlich machen, dass er in der Kontinuität der deutschen Außenpolitik steht. Denn hier kann man sagen, dass selbst damals  Joschka Fischer - auch da gab es Vorbehalte - eine sehr israel-freundliche Außenpolitik betrieben hat. Ich denke, Westerwelle wird da sich einreihen in die große Tradition der uneingeschränkten Solidarität Deutschlands mit Israel. Er wird auch die besondere Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht des Staates Israel zum Ausdruck bringen. Ich hoffe, dass er die richtigen Worte findet.
Die Politik Deutschlands ist eine Politik, die aus moralischer Verantwortung entsprungen ist. Das ist etwas Besonderes, wir haben nicht zu allen Staaten freundschaftliche Beziehungen. Aber das ist eine Leistung der deutschen Außenpolitik der letzten 20 Jahre gewesen, dass sie hier in der Tat grundlegend das Klima verändert hat.

domradio: Morgen will der Westerwelle in Ramallah mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Fajad zusammentreffen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, warnte Westerwelle davor, als Nahost-Vermittler aufzutreten. Er haben hier zu wenig Erfahrung." Was kann er tun?
Zenger: Das würde er auch nicht tun. Er hat genügend Berater. Wenn man ein neues Amt übernimmt und eine schwierige Mission beginnt, ist man zurückhaltend. Ich erwarte aber schon, dass er deutlich gegenüber den Palästinensern auf das Existenzrecht des Staates Israel insistiert. Das ist ein Haupthindernis für einen Friedensprozess.

Zur Person
Erich Zenger gilt als einer der bedeutendsten alttestamentlichen Bibelwissenschaftler unserer Zeit, seine "Einleitung in das Alte Testament" gilt als Standardwerk der Bibelwissenschaften.

Insbesondere aber und vor allem hat sich Zenger um den jüdisch-christlichen Dialog verdient gemacht hat. Als Exeget darf er als Pionier einer revidierten, von traditionell antijudaistischen Vorurteilen bereinigten Auslegung des "Ersten Testaments", der hebräischen Bibel, gelten. Als Akademiker und Mensch gehört er zu den Brückenbauern, die zwischen Juden und Christen wieder tragfähige Wege über den Abgrund, den die Shoa aufgerissen hat, gebaut haben.