Misereor-Expertin Kolmans zum Welternährungsgipfel

"Man hält an alten Rezepten fest"

Der heute in Rom zu Ende gehende Welternährungsgipfel hat eine Fünf-Punkte-Erklärung verabschiedet, mit der ein weltweites "Recht auf angemessene Ernährung" durchgesetzt werden soll.
Nichtregierungsorganisationen werfen dem Beschluss Halbherzigkeit vor. Auch die Entwicklungsexpertin Alicia Kolmans vom katholischen Hilfswerk Misereor zieht im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom eine kritische Bilanz der Beratungen.

 (DR)

KNA: Frau Kolmans, Misereor hat im Vorfeld Kritik am Welternährungsgipfel geäußert. Wie bewerten Sie das Treffen jetzt?
Kolmans: Leider nicht viel anders. Die verabschiedete Erklärung ist im Grunde eine Aneinanderreihung von schon bekannten Vereinbarungen und Versprechen. Lediglich ein Punkt weckt etwas Hoffnung: Die Unterzeichner sagen dem sogenannten Ausschuss für Ernährungssicherheit ihre Unterstützung zu. Dieses neue Gremium soll eine Art Weltparlament für Fragen der Ernährungssicherheit werden.

In ihm werden auch die Zivilgesellschaft, Bauernorganisationen, Vertreter von Kleinfischern und armen Menschen in der Stadt eine Stimme haben. Es ist zu hoffen, dass das, was der Gipfel nicht geschafft hat, in diesem Ausschuss geschieht.

KNA: Was läuft falsch beim Kampf gegen Hunger?
Kolmans: Man hält an alten Rezepten fest. Zum Beispiel wird eine neue "Grüne Revolution" gefördert. Dabei geht es um sehr technologische Lösungen für die landwirtschaftliche Produktion, etwa die Gentechnik. Solche Technologien sind für Kleinbauern nicht geeignet, einfach weil sie zu teuer sind. In der Vergangenheit hat man schon gesehen, wie der Einsatz von Hochertrags-Saatgut, von Pestiziden und Düngemitteln die Kleinbauern massenweise in die Verschuldung getrieben hat. Wir brauchen eine andere, eine ökologischere Landwirtschaft, die die Schöpfung bewahrt. Ertragssteigerung ist wichtig, aber es muss auch ein langfristiges Einkommen für die Menschen geben.

KNA: Ein anderes Feld ist die Globalisierung der Märkte. Wie sehen Sie die?
Kolmans: In den letzten Jahrzehnten hat man eine massive Öffnung der Agrarmärkte in den armen Ländern vorangetrieben. Das führte zu einer unglaublichen Konkurrenz auf den heimischen Märkten und dazu, dass etliche Entwicklungsländer faktisch zu Nahrungsmittel-Importeuren wurden. Damit hängen sie vom Weltmarkt ab. In der Ernährungskrise im vergangenen Jahr zeigte sich, wie katastrophal das ist: Die globalen Preissteigerungen trafen diese Länder besonders stark. Davon muss man wegkommen. Die Entwicklungsländer müssen die Chance haben, ihre Märkte zu schützen und eine lokal und national orientierte Nahrungsmittelproduktion zu entwickeln.

KNA: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mahnt zur Eile. Welche konkreten Schritte sind jetzt nötig?
Kolmans: Wichtig wäre eine echte Wende in der Landwirtschafts- und Agrarhandelspolitik. Die Hungerbekämpfungsprogramme der unterschiedlichen Organisationen wie der FAO, der Weltbank, des Landwirtschaftsfonds IFAD, von anderen Gebern und leider auch offizielle Programme vieler Regierungen von Entwicklungsländern gehen immer noch in die falsche Richtung. Ich hoffe, dass das genannte Weltparlament für Ernährungssicherheit alternative Richtlinien entwickelt und die anderen Akteure sich daran orientieren. Was wir brauchen, ist ein neues Landwirtschaftsmodell, das die Kontrolle der Produktion mehr in die Hände der Kleinbauern und der betroffenen Bevölkerung legt und nicht in die Hände der Agrarkonzerne.

KNA: Welchen Beitrag können kirchliche Organisationen dabei leisten?
Kolmans: Kirchliche Organisationen wie Misereor haben eine lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Bauernbewegungen und Basisorganisationen. Auf dieser Grundlage können wir nicht nur Vorschläge einbringen, sondern auch die Stimme der Betroffenen stärken. Kirchliche Organisationen unterstützen diese alternative Entwicklungspolitik schon einige Zeit und spielen dabei eine wichtige Rolle. Die weltweiten Strukturen der Kirche öffnen hier viele Türen.

Das Interview führte Burkhard Jürgens.