Norbert Blüm erinnert sich an den Mauerfall

"Die beste Nachricht in meinem politischen Leben"

Im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl war Norbert Blüm im Herbst 1989 Minister für Arbeit und Sozialordnung. Dass die Mauer gefallen ist, habe er auf der Autobahn erfahren. Im domradio-Interview erinnert er sich an die erste Freude und die berufliche Herausforderung der Wiedervereinigung.

 (DR)

domradio: Können sie sich noch erinnern, wo die Nachricht sie damals erreicht hat?
Blüm: Ganz trivial auf der Autobahn, im Autoradio.

domradio: Was haben sie spontan gedacht?
Blüm: Das war wie eine Nachricht von einem anderen Stern. Du hast dich gefragt, ob du noch im richtigen Film bist. Denn auf alles war ich gefasst, nur auf eine solche Nachricht nicht. Und es ist die beste Nachricht, die ich in meinem politischen Leben gehört habe.

domradio: Was haben sie gesagt, als klar war, die Mauer ist offen?
Blüm: Eine neue Zeitrechnung beginnt. Und das ist noch immer so. Ich glaube, dass wir das noch immer nicht richtig einschätzen. So lange die Mauer stand, so lange war Kriegsgefahr. Wenn es gekracht hätte, dann hier in Deutschland, wo die Raketen waren. Und was Krieg bedeutet, habe ich als Kind in Luftschutzkellern erlebt. Das ist das Schlimmste, das passieren kann. Über Nacht war die Kriegsgefahr weg, Russland zog seine Truppen ab, ohne dass auch nur ein Schuss fiel. Das war wie ein Wunder.

domradio: Haben sie sich darüber Gedanken gemacht, dass das der Beginn der Wiedervereinigung ist?
Blüm: Ich wusste, dass es jetzt mit der DDR zu Ende ist. Allerdings will ich zugestehen, dass schon in der Nacht die Überlegungen begannen: Wie machen wir das eigentlich? In der Rentenversicherung, in der Krankenversicherung, in der Arbeitslosenversicherung? Davon hat ja deutsche Einheit auch abgehangen, dass die Rente gezahlt wird. Das war viel Handwerk, da mussten ganz neue Verwaltungen aus dem Boden gestampft werden.

Das Interview führte Monika Weiß. Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge.