Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland zur Opel-Krise

"Mit der Kaltschnäuzigkeit hat keiner gerechnet"

Während die IG Metall die Proteste der Opel-Belegschaft gegen den US-Mutterkonzern General Motors europaweit massiv ausdehnen will, wächst in Deutschland der Ärger. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hat seine scharfe Kritik am Vorgehen des Opel-Mutterkonzerns General Motors bekräftigt. Im domradio-Interview fordert er von dem Konzern Respekt für seine Beschäftigten.

 (DR)

domradio: Sie haben die jüngsten Entwicklungen in Sachen Opel als  "starkes Stück" bezeichnet - warum können Sie die Wut der Opelaner so gut verstehen?
Schneider: Man muss sich mal in ihre Haut versetzen: Sie werden ein Jahr lang so in der Luft gehalten, es werden immer neue Ansagen gemacht, wie viele Arbeitsplätze verloren gehen, was sie alles beitragen müssen, aber immer mit der klaren Perspektive, es wird einen neuen Inhaber geben. Da lässt man sich auf Neues ein, da wächst dann wieder Vertrauen. Und kurz vor Toresschluss heißt es dann: Ätsch, alles bleibt beim Alten, der alte Inhaber bleibt, der ja nun wesentlich auch für diese großen Probleme mit gesorgt hat. Dass das so aussieht, wie so eine Art Schurkenstück, das kann ich gut verstehen. Und dass man darüber richtig sauer ist, kann ich auch verstehen.

domradio: Menschen nicht als Verhandlungsmasse begreifen, sondern als Menschen - das ist die Forderung der Kirchen auch und gerade in der Opelkrise - wie müsste das konkret aussehen?
Schneider: Das Erste ist wirklich ein Respekt vor den Leuten. Und Respekt vor den Leuten drückt sich dadurch aus, dass man ihnen die Wahrheit sagt und dass man das eigene Vorgehen und die eigenen Ziele offenlegt. Und nicht 90 Prozent der Zeit sagt, ok, wir verkaufen, um dann in den restlichen 10 Prozent alles offen zu halten und zu sagen, wir verkaufen doch nicht. Also: Klarheit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, es reichen schon häufig diese Grundtugenden. Und das Zweite ist, nun wirklich zu respektieren, dass Menschen keine Automaten, Waren oder Sachen sind. Das ist ja die große Gefahr des kapitalistischen Wirtschaftsystems, dass Menschen nur noch unter ihrem Nutzengesichtspunkt betrachtet werden. Oder als Kostenfaktoren. Man macht sie damit zu Sachen. Und das ist unmenschlich.

domradio: Wie üblich in solchen Situationen schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig den schwarzen Peter  zu - was ist in Ihren Augen falsch gelaufen, wer ist schuld?
Schneider: Das ist sicher mit einem Wort nicht zu beantworten. Und ich durchschaue auch zu wenig alle Zusammenhänge, um das wirklich beurteilen zu können. Aber dass das alte Management die Verantwortung dafür trägt, dass dieser Konzern am Ende war, das ist ja nun ganz klar. Und alles Übrige ist dann eine Frage der Seriosität der Gesprächspartner. Und vermutlich wurde gerade von politischer Seite unterschätzt, zu welch kaltschnäuzigem Verhalten das Top-Management von Gerneral Moters fähig ist.

domradio: Heute nun die Nachricht, dass General Motors die Opel-Spitze zügig umbauen und die Sanierung einleiten will - der bisherige Europa-Chef Forster verlässt offenbar den Konzern. Wie werten Sie das jetzt - als weiteres Zeichen dafür, dass auf die Opelaner harte Zeiten zukommen?
Schneider: Das kann man sicher so werten.

domradio: Was können die Kirchen in solchen akuten Krisenmomenten leisten?
Schneider: Die Kirchen sind nahe bei den Menschen, bzw. es sind ja die Menschen, die die Kirche sind. Die Pfarrer stehen zu ihren Leuten, sprechen Trost zu, aber sie erheben auch öffentlich die Stimme in deren Interesse. Das ist, was Kirche leisten kann.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.