Nach der Ankündigung des Wohlfahrtsverbandes ist der Zivildienst wieder in der Diskussion

Vom Drückeberger zum Samariter

Lange Jahre galten sie als "Drückeberger" und "Ohne-Michel". Inzwischen werden sie als freundliche Helfer, Samariter und Sozialarbeiter geschätzt. Das Image der "Zivis" hat sich spätestens seit Ende des Kalten Krieges und dem inneren Wandel der Bundeswehr drastisch verbessert. Nun wird dem Zivildienst erneut das mögliche Ende vorausgesagt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Mehr als 2,5 Millionen junge Männer haben seit 1961 ihren Zivildienst absolviert, rund 85.000 werden es im Jahr 2009. Denn nach der von Union und FDP für 2011 geplanten Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes auf sechs Monate hat der Paritätische Wohlfahrtverband seinen Ausstieg angekündigt: Die Kürzung von neun auf sechs Monate läute "den Anfang vom Ende des Zivildienstes überhaupt" ein, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag). Auf dieser Grundlage lasse sich der Zivildienst nicht mehr vernünftig nutzen - schon deshalb, weil etwa alten und pflegebedürftigen Leuten nicht ein ständiger Wechsel der Bezugspersonen zugemutet werden könne.

Auch andere Wohlfahrts- und Sozialverbände rechnen damit, künftig kaum noch mit Wehrdienstverweigerern arbeiten zu können. "Da die Ausbildung zum Rettungssanitäter allein drei Monate dauert, lohnt sich die Investition nicht mehr", sagte Gabriele Thivissen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Nordrhein der "Süddeutschen Zeitung".

"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Dieses Recht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) war bereits 1949 im Grundgesetz verankert worden - lange bevor die Wehrpflicht 1956 eingeführt wurde und lange bevor 1960 das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst entstand. Am 10. April 1961 traten dann die ersten 340 anerkannten Kriegsdienstverweigerer an verschiedenen Orten der Bundesrepublik ihren Dienst an.

Geschichte des Zivildienstes liest sich zwiespältig
Die Geschichte des Zivildienstes liest sich zwiespältig: Einerseits hat er die Einrichtung ambulanter Hilfs- und Pflegedienste gefördert und Behinderten und Pflegebedürftigen ein Leben mit mehr Eigenständigkeit ermöglicht. Junge Männer wurden mit Aufgaben betraut, die traditionell nur von Frauen wahrgenommen wurden. Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (KDV) hat allerdings immer wieder auf eine mögliche Kehrseite hingewiesen: Der Zivildienst habe ehrenamtliches Engagement abgewürgt und Sozialberufe verdrängt, so Geschäftsführer Peter Tobiassen.

Er betont, dass es kein Recht der Wohlfahrtsverbände auf den Zivildienst gebe. Die Anbieter von Zivildienstplätzen müssten ausdrücklich versichern, dass dadurch keine ordentlichen Arbeitsplätze wegfielen. "Der Zivildienst ist Ergänzung, nicht Stütze des Sozialsystems", so Tobiassen.

Wie die Zentralstelle fordern Jugendverbände eine Ausweitung der Freiwilligendienste in Deutschland. Nach den Ergebnissen der vorletzten Shell-Jugendstudie haben rund 17 Prozent eines Jahrgangs ein großes Interesse, ein freiwilliges Jahr zu leisten. Bei rund 800.000 Angehörigen eines Jahrgangs wären das mehr als 130.000 Jugendliche. Jede Zivildienststelle könnte also mit einem oder einer Freiwilligen besetzt werden.

Eine Ausweitung setzt mehr Geld voraus
Auch Hauptgeschäftsführer Schneider verwies im "Kölner Stadt-Anzeiger" darauf, dass den bundesweit 85.000 Zivildienstleistenden im Jahr 2009 cirka 35.000 junge Menschen gegenüber stehen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren. Die Zahl der Bewerber für einen solchen Freiwilligendienst sei aber ungefähr doppelt so hoch.

Eine Ausweitung setzt allerdings mehr Geld voraus: Bislang werden die Stellen von Bund und Ländern finanziert; der Bund gibt in diesem Jahr 19,2 Millionen Euro. Nach Auskunft des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müsste er 60 Millionen Euro jährlich zuschießen, damit das Loch, das die Zivildienstleistenden möglicherweise hinterlassen, gestopft werden könnte.