Sönke Wortmanns "Päpstin" unterhält, ohne zu überzeugen

Bildgewalt in Bernsteintönen

Regisseur Sönke Wortmann hat sich nach "Das Wunder von Bern" und "Deutschland, ein Sommermärchen" die Geschichte der Priestertochter Johanna, die im neunten Jahrhundert als Mann verkleidet zum Papst gewählt wird, vorgenommen. Ein für deutsche Verhältnisse üppiges Budget und eine Riege bester deutscher und internationaler Darsteller hatte der Regisseur zur Verfügung. Herausgekommen sind 148 Minuten opulentes Kino: episch, bildgewaltig, unterhaltsam - und am Ende doch etwas enttäuschend.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Nein, mit den Klassikern des Genres wollte er sich vor dem Dreh nicht allzu sehr beschäftigen. Sönke Wortmann, bewegter Mann, Wundermacher von Bern und Dokumentar des deutschen «Sommermärchens» 2006, wollte nicht den «Namen der Rose» abklatschen und auch nicht «Robin Hood» und «Braveheart». Seine Johanna, Verfilmung des Bestseller-Romans «Die Päpstin» der US-Amerikanerin Donna Woolfolk Cross, die am Donnerstag deutschlandweit in die Kinos kommt, sollte unverstellt, eigenständig, sein.

Die stärksten Passagen des Films liegen im Beginn, in Johannas Kindheit und Jugendjahren Anfang des 9. Jahrhunderts. In kernigen Bildern entwickelt Wortmann glaubhaft die Figur des so wissensdurstigen wie begabten Mädchens, das sich nicht in die vorgeschriebene Rollenverteilung fügt - und das auch die körperliche Gewalt ihres engstirnigen Vaters gegen sie und gegen ihre Mutter in Kauf nimmt, um an ihr Ziel zu kommen: Bildung. Und die kann ihr nur ausgerechnet jene Kirche bieten, die Mädchen, so die Hauptthese des Films, kategorisch davon ausschließt. So gibt sich Johanna für ihren von den Normannen erschlagenen Bruder aus und tritt in ein Männerkloster in Fulda ein.

Auf dünnem Eis
Vor der klingonischen Düsterkeit mancher Mittelalter-Epen verschont der Regisseur die Zuschauer - und arbeitet stattdessen mit viel Bernsteintönen, Feuerstellen und schräg einfallenden Sonnenstrahlen. Auch die genreüblichen Arten und Weisen, wie etwa der Bischof von Dorstadt bei einem Normannenüberfall seinen Kopf und der bischöfliche Gesandte den Finger mit seinem Siegelring verliert, mögen den rustikalen Sehgewohnheiten eines «Herr der Ringe»-Publikums geschuldet sein. Mit wachsender Dauer, von Ingelheim über Fulda bis Rom, bewegt sich allerdings leider auch die Story auf immer dünnerem Eis. Das liegt keineswegs an der Leistung der Hauptdarstellerin Johanna Wokalek. Sie beeindruckt mit ihrem ernsten und sensiblen Spiel - und hat mit David Wenham einen ebenfalls guten Graf Gerold als überzeugenden Geliebten an ihrer Seite.

Schlicht schwach wird die Szenerie in Rom, wo rund um die werdende Päpstin nur noch Abziehbilder von Charakteren die ganze Leinwandbreite ausfüllen. Als Staffage Aufbauten alter Cinemascope-Schinken, neu erstanden aus Ruinen. Huschten da nicht bei der Huldigung im Lateran gerade noch Liz Taylor und Richard Burton aus dem Bild? Auf den obelixartigen Papst John Goodman («Fred Feuerstein») folgt nun ein androgyner Asterix, der sich sogleich anschickt, in nur wenigen Monaten die Missstände von Jahrhunderten römischer Männerwirtschaft zu beseitigen. Das Liebesdrama hinter dem vermeintlich weltgeschichtlichen Geschehen nimmt gemäß der US-Romanvorlage breiten Raum ein. Schließlich stellen eine Intrige und eine tödliche Fehlgeburt die alten Verhältnisse in Rom wieder her.

Seifiges Ende
Wortmanns große Werktreue zur feministischen Folie der Donna Cross führt ihn mit dem Ende auch auf den Tiefpunkt des Films: den Auftritt der zufrieden schmunzelnden Erzbischöfin von Paris, Arnaldo, im Lateran. Sie, Spross einer vor Jahrzehnten von der jungen Heilerin Johanna geretteten Bettlerfamilie, hat es ihrerseits zu Bildung und kirchlichen Ehren gebracht. Durch eine eigenhändige Abschrift verschafft sie ihrer Lehrmeisterin im Jahr 887 wieder einen Platz im Verzeichnis der Päpste (Liber Pontificalis), aus dem sie Johannas missgünstiger Gegenspieler Anastasius (Bond-Bösewicht Anatole Taubman) und das politische Rom bereits erfolgreich getilgt hatten. Nun fragt sich Arnalda mit einem versonnenen Blick über die Köpfe der römischen Kleriker, wie viele Schwestern sich wohl noch unter den Brüdern verbergen mögen: seifiges Ende einer Geschichte, die sehr stark begonnen hatte.