Betriebsseelsorgerin im Bistum Bamberg bestürzt über das Aus von Quelle

"Das war eine Familie"

Das endgültige Aus für den traditionsreichen Versandhändler Quelle sorgt in Bayern für Bestürzung. "Es ist wie ein Schlag unter die Gürtellinie", sagt Barbara März. Im domradio-Interview spricht die Betriebsseelsorgerin im Bistum Bamberg über geplatzte Hoffnungen, Perspektivlosigkeit und Wut auf die Verantwortlichen.

 (DR)

domradio: Sie haben in den vergangenen Wochen mit für Quelle gekämpft. Wie haben Sie die Nachricht heute erfahren? Und wie geht es Ihnen damit?
März: Heute Morgen, als ich meinen Radiowecker einschaltete, war das die erste Meldung in den Nachrichten. Da stand ich im Bett, wie man so schön sagt. Im Moment geht es mir damit sehr schlecht, weil ich an die Betriebsräte denke und wie es ihnen jetzt geht.

domradio: Was bedeutet das für diejenigen, die versucht haben, das Unternehmen zu retten?
März: Es ist wie ein Schlag unter die Gürtellinie. Die Betriebsräte und der Insolvenzverwalter haben wirklich alles versucht, Quelle zu retten. Sie haben alles dafür getan und bis zum Schluss gehofft. Und jetzt dieser Tiefschlag.

domradio: Wie verhält sich die Geschäftsführung?
März: Die Quelle-Geschäftsführung gibt es an sich nicht mehr, Herr Middelhoff hat sich im März verabschiedet mit dem Satz, er habe ein "bestelltes Haus" hinterlassen. Die neue Geschäftsführung musste dann feststellen, dass dem ganz und gar nicht so war. Jetzt hat der Insolvenzverwalter die Geschäfte übernommen. Die neue Geschäftsführung konnte eigentlich nichts mehr tun, außer den Insolvenzverwalter zu unterstützen.

domradio: Über die Konsequenzen will der Insolvenzverwalter heute die Belegschaft informieren. Was bedeutet die Nachricht für die?
März: Es bedeutet erstmal ein Stück Perspektivlosigkeit, ein Niederschlag. Sie hatten bis zuletzt gehofft und gedacht, dass es vielleicht weitergeht, vielleicht auch mit mehr Mitarbeitern, wie angekündigt wurde. Aber jetzt ist das Ende da, alle werden entlassen, die Firma wird abgewickelt, wie es so schön heißt. Die Belegschaft muss jetzt sehen, wie sie ihr eigenes Leben wieder auf die Reihe kriegt, wie sie mit der kommenden Arbeitslosigkeit umgeht. Ein ganz schwieriger Punkt bei Quelle ist: Das war eine Familie, da haben ganz viele schon sehr lange gearbeitet, der Alterdurchschnitt der Mitarbeiter ist relativ hoch. Es wird sehr schwierig für viele werden, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Familie bedeutet auch: Man hat oft den Lebenspartner oder Kinder bei der Quelle untergebracht, es trifft nicht nur einzelne Personen, sondern ganz häufig ganze Familien.

domradio: Sie sind Seelsorgerin für die Betriebe Ihrer Gegend. Was bieten Sie den Menschen an?
März: Schon vor Wochen haben wir den Betriebsräten eine ganze Liste mit Hilfsangeboten zur Verfügung gestellt. Arbeitsplätze haben wir auch nicht, leider. Aber wir bieten jetzt Trauerbegleitung an. Wir haben schon vergangene Woche - es gab ja bereits Entlassungen - ein Gebet in Fürth in der Pfarrei Unsere liebe Frau organisiert, zu dem betroffene Entlassene kommen konnten und Mitarbeiter von Quelle, auch Menschen aus der Umgebung, die sich solidarisieren wollten. Dort wurde ein Kreuz aufgestellt, das jetzt erstmal stehen bleibt, auf jeden Fall bis Weihnachten. Dort gibt es die Möglichkeit, eine Kerze anzuzünden oder Gedanken und Nöte aufzuschreiben.

domradio: Welche Nöte kommen dort zum Ausdruck?
März: Die Menschen denken, dass Manager ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, in Person von Herrn Middelhoff zum Beispiel, der nichts dafür getan hat, dieses Unternehmen zu retten. Auch der Insolvenzverwalter erwägt ja rechtliche Schritte gegen ihn, weil nicht klar ist, ob er sich nicht selbst bereichert hat. Da ist einfach diese Wut der Mitarbeiter berechtigt, dass hier jemand nicht seinen Job gemacht hat.