Erzbischof Werner Thissen besucht Äthiopien

"Den Rücken stärken"

Am Sonntag reist der Hamburger katholische Erzbischof Werner Thissen nach Äthiopien. Auch vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Afrika-Synode im Vatikan sei der Besuch für ihn ein "Zeichen der Solidarität mit den Menschen und der Kirche vor Ort", erklärt er im domradio-Interview.

 (DR)

domradio: Sie sind fünf Tage in Äthiopien, was haben Sie sich vorgenommen?
Thissen: Es geht mir vor allem um zwei Anliegen. Einmal besuche in Projekt von Misereor, das sind vor allem Projekte im Gesundheitswesen und Projekte in der landwirtschaftlichen Entwicklung. Außerdem will ich den Menschen vor Ort Mut machen und den Rücken stärken. Ich merke immer bei Besuchen in Afrika, wie wichtig es ist, dass die Menschen den Eindruck haben, sie sind nicht vergessen, sondern auch in der Weltkirche, in Europa und Deutschland hat man sie wohlwollend im Blick.

domradio: Sie ist die Situation der Menschen in Äthiopien?
Thissen: Äthiopien ist eines der ärmsten Länder überhaupt auf der Welt. Das Land hat auch seine Schwierigkeiten dadurch, dass die Demokratieentwicklung noch nicht so auf festen Füßen steht und dass auch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten nicht ganz leicht sind. Aber die Kirche kann viel dazu tun, für Rechtstaatlichkeit zu sorgen, für Gleichheit vor dem Recht und auch Demokratiebewegung voranzubringen, das hat dann auch solch konkreten Auswirkungen wie den Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten, gegen Misshandlung von Gefangenen. Aber auch im wirtschaftlichen Bereich gegen Verdrängung von Kleinbauern durch internationale Konzerne oder gegen subventionierte Waren aus dem Ausland, die dann den Menschen dort das Einkommen entziehen. Alles wichtige Aufgaben.

domradio: Wie stark ist die Kirche in Äthiopien?
Thissen: Ich war gerade erst in Rom, wo gerade die Bischofssynode zu Afrika tagt. Und ich merke, dass die afrikanischen Bischöfe, auch die Mitbrüder aus Äthiopien, dort sehr selbstbewusst auftreten. Sie haben inzwischen die Erfahrung gemacht, auch als Minderheitskirche in Äthiopien viel Gutes bewirken zu können, weil sie gut in der Weltkirche vernetzt sind und gute Kontakte haben.

domradio: Was können wir für Afrika tun?
Thissen: Das Wichtigste, was wir tun können, sehe ich darin, dass wir Afrika überhaupt wahrnehmen. Ich stelle mit Schrecken fest, dass die großen Zeitungen bei uns ihre Niederlassungen und Büros in Afrika entweder schließen oder das Personal dort sehr verringern. Wir müssen aufpassen, dass wir Afrika nicht vergessen. Wir müssen es stärker im Blick haben, auch medial. Deshalb bin ich auch froh, dass eine große Tageszeitung mich begleitet, um auch auf diese Weise zu vermitteln, was in Afrika los ist und was sich dort alles an Gutem tut.

Hintergrund
Erzbischof Werner Thissen ist vom 18. bis zum 22. Oktober in dem nordostafrikanischen Staat. Er ist in der Deutschen Bischofskonferenz für das katholische Entwicklungs-Hilfswerk Misereor zuständig.

Äthiopien gehört mit seinen rund 74 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt. Vor allem an der Grenze zu den Nachbarstaaten Somalia, Sudan und Eritrea kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Rund 43,5 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum äthiopisch-orthodoxen Christentum, 33,9 Prozent zum Islam und 18,6 Prozent gehören evangelischen Kirchen an.

Misereor fördert in dem Land unter anderem Projekte im Agrarbereich und im Gesundheitswesen mit jährlich zwei Millionen Euro.