Pro Asyl kritisiert geplante Abschiebung Tausender Kosovaren scharf

Leben am Rande der Müllkippe

In den kommenden Jahren sollen tausende kosovarischer Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben werden. Bernd Mesovic von Pro Asyl kritisiert den Plan scharf. Von der Rückführung betroffen wären vor allem in Deutschland lebende Roma, so Mesovic im domradio-Interview. Im Kosovo erwarte sie "ein Leben am Rande der Müllkippe".

 (DR)

domradio: Wie leben denn Roma im Kosovo im Augenblick?
Mesovic: Die Situation der Roma im Kosovo ist seit vielen Jahren schwierig. Die Bundesregierung behauptet, die Lebenssituation sei inzwischen besser geworden. Die Rückkehrer würden nicht in der Gefahr stehen, in Armut, Arbeitslosigkeit und Verelendung zu landen. Wir haben vor Kurzem eine Recherche vor Ort durchgeführt und mussten feststellen: die bereits jetzt Abgeschobenen leben in bitterem Elend. Was damit zu tun hat, dass die Arbeitslosenquote im Kosovo für ethnische Albaner bei 60 oder 70 Prozent liegt, für Roma bei beinahe 100 Prozent. Das ist ein großes Problem.

domradio: Was heißt bitteres Elende konkret?
Mesovic: Das heißt, dass viele Rückkehrer, die sich nicht gleich entschließen, in Nachbarstaaten weiterzuwandern oder erneut den Weg nach Westeuropa anzutreten, am Rande der Müllkippe landen. Das ist nicht metaphorisch gemeint, das ist wirklich so. Sie landen zu größten Teilen in Slums, so es nicht noch Familienangehörige gibt, die sie in ihren überfüllten Wohnungen aufnehmen können. Viele Roma haben kein Eigentum, haben keine Häuser, was sonst im Kosovo üblich ist. Sie können Eigentumstitel faktisch nicht einklagen, so sie früher Besitz gehabt haben sollten. Das macht es sehr schwierig. Sollten sie eine Mietwohnung gefunden haben, zahlen sie oftmals überzogene Mieten, die sie kaum zahlen werden können.

domradio: Erhalten die Roma, die bald abgeschoben werden, eine Rückkehrhilfe?
Mesovic: Es gibt Rückkehrhilfen, das sind zwischen 500 Euro und 2000 Euro für eine Familie. Es gibt darüber hinaus ein Projekt, auf das die Bundesregierung vor der Abschiebung immer sehr gerne verwiesen hat. Diese gut gemeinten Hilfen wirken einige Monate, haben aber keine Nachhaltigkeit. Denn worüber sollen sie führen, wenn die Roma im Land selber keine Chancen haben?

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Hintergrund
In den kommenden Jahren sollen tausende kosovarischer Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben werden. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, über die die "Süddeutsche Zeitung" berichtete und die dem epd vorliegt. Danach soll noch in diesem Herbst ein Rücknahme-Abkommen zwischen Berlin und Pristina unterzeichnet werde.

Den Angaben des Innenministeriums zufolge leben rund 14.000 Kosovaren in Deutschland, die zur Ausreise verpflichtet sind. Die Mehrzahl sind Roma. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Republik Kosovo sieht vor, dass Pristina neben kosovarischen Staatsangehörigen auch Personen aufnimmt, die nachweislich im Kosovo geboren sind, dort gelebt haben oder rechtswidrig vom Kosovo aus in die Bundesrepublik eingereist sind.

Aus Deutschland sollen pro Jahr maximal 2.500 Anträge auf Rückführung gestellt werden. Dabei soll darauf geachtet werden, dass nicht nur Roma abgeschoben werden. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem epd, die Republik Kosovo sei verpflichtet, Menschen, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht besäßen, zurückzunehmen. Die Voraussetzungen für eine Abschiebung müssten aber in jedem einzelnen Fall geprüft werden. Dafür seien die Länder zuständig.

Abkommen zwischen Berlin und Pristina
Die Anträge zur Rückführung werden über zwei zentrale Stellen für die nördlichen und die südlichen Bundesländer an die kosovarischen Behörden gestellt. Von Januar bis Ende August dieses Jahres wurden nach Angaben des Innenministeriums 1.580 Rücknahmeersuchen an die kosovarischen Behörden gestellt, denen bis auf 27 Fälle stattgegeben wurde.

Parallel zu den Abschiebungen fördert die Bundesregierung seit Jahren die freiwillige Rückkehr der ehemaligen Kriegflüchtlinge mit finanziellen Starthilfen und Unterstützung bei Wohnungs- und Jobsuche nach der Rückkehr. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer ist aber mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Kosovo-Krieges gering.

Nach Angaben des Innenministeriums kehrten im vorigen Jahr 219 Menschen freiwillig in den Kosovo zurück, 597 wurden abgeschoben. Bis August dieses Jahres gab es 168 freiwillige Rückkehrer. In der zweiten Hälfte des Jahres 1999 und 2000, unmittelbar nach dem Ende des Krieges, waren Zehntausende freiwillig zurückgegangen. 2005 sank ihre Zahl unter tausend. Ab 2004 fiel ihre Zahl regelmäßig unter die Zahl der Abschiebungen.