Ökumene-Expertin zum Ärger um das EKD-Papier vor dem Hintergrund des 2. Ökumenischen Kirchentags 2010 in München

"Eine Warnung zur rechten Zeit"

In sieben Monaten beginnt in München der 2. Ökumenische Kirchentag. Das Motto "Damit Ihr Hoffnung habt" erscheint vor dem Hintergrund des Ärgers um das EKD-Papier zur Katholischen Kirche gerade mehr als ein frommer Wunsch. "Es ist vielleicht eine Warnung zur rechten Zeit", beurteilt Prof. Dorothea Sattler die jüngsten Entwicklungen. Im domradio-Interview zeigt sich die katholische Theologin zuversichtlich, dass sich die Wogen bald wieder glätten werden.

 (DR)

domradio: Wie hart sind die Worte des EKD-Papiers?
Sattler: Es sind harte Worte, vor allem auch zu Persönlichkeiten wie zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Aber auch zu Benedikt XVI. Das ist unüblich in der Ökumene.

domradio: Welche Formulierungen konkret?
Sattler: Die Römisch-Katholische Kirche wirke wie ein "angeschlagener Boxer", eine Formulierung, die jeder Sachlichkeit entbehrt.

domradio: Die Katholische Kirche will nicht zur Tagesordnung des halbjährlichen Ökumene-Gesprächs zurückkehren. Wie beurteilen Sie das?
Sattler: Das war sicher eine schwere Entscheidung, die sich die Verantwortlichen nicht leicht gemacht haben. Denn diese Regelmäßigkeit der Gespräche ist auch wichtig. Aber es ist ja nicht so, dass das Gespräch ganz ausfällt, es ist ein Ersatz geschaffen worden. Aber wir brauchen ja gerade angesichts der erkennbar sensiblen ökumenischen Situation gegenwärtig diese Regelmäßigkeit. Deshalb hätte ich mir auch vorstellen können, dass das Gespräch stattfindet und in dem Rahmen Klärungen vorgenommen werden. Aber sicher ist es auch nicht ohne Sinn, ein Zeichen zu setzen und deutlich signalisiert: So geht es jetzt erstmal nicht weiter, wir brauchen eine andere Gesprächsatmosphäre, bevor wir zur Tagesordnung übergehen.

domradio: Wie könnte die EKD jetzt die Angelegenheit klären?
Sattler: Erstmal muss intern geklärt werden, wer dieses Papier der Öffentlichkeit zugespielt hat. Das war ja, wie auch immer die evangelischen Kommentare ausfallen, so nicht vorgesehen. Das Papier wurde ja auch innerevangelisch kritisch diskutiert. Es bestehen also offenkundig Absichten, dieses Papier der Öffentlichkeit zukommen zu lassen. Das muss innerevangelisch geklärt werden, inzwischen haben sich ja auch bereits zahlreiche evangelische Bischöfe kritisch zu Wort gemeldet.

domradio: Der Verfasser des Papiers spricht von einer "intellektuellen Meinungsführerschaft" der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wie kommt er auf diese These?
Sattler: Es geht wahrscheinlich auch um die Stammzellforschung und andere Dinge, bei denen im gesellschaftlichen Gespräch Kontroversen bestehen zwischen den beiden großen Kirchen. Wir möchten das ja gerne - und das wird auch so sein - das zu einem offenen Gesprächsgegenstand beim zweiten ökumenischen Kirchentag machen. Und gerade dieser Kirchentag möchte ja gerne deutlich machen, dass die beiden großen Kirchen am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben. Das geht nur auf Augenhöhe. Und es ist keineswegs so, dass alleine die Evangelische Kirche die Meinungsführerschaft beanspruchen kann. Es gibt Kontroversen, die sachlich und fachlich gut ausgetragen werden müssen.

domradio: Ist der Kirchentag gefährdet?
Sattler: Es ist vielleicht eine Warnung zur rechten Zeit, es nicht zu leicht zu machen und vielleicht auch noch mal die Brisanz eines solchen ökumenischen Kirchentags öffentlich deutlich zu machen. Wir brauchen dieses gemeinsame Ringen um die Standorte, wir wissen um mache Grundlagendifferenzen. Der Kirchentag wird durch das Papier nicht erleichtert, aber es wird die Notwendigkeit einer innerchristlichen Verständigung gerade in gesellschaftlichen Fragen dadurch noch mal offenkundiger. In dem Sinne kommt es früh genug, um auch noch mal die Relevanz des Tages zu betonen. Belastet werden die Gespräche erstmal auf jeden Fall, aber so wie die Dinge jetzt auch schon geplant sind, wird es wieder zu einer Entdramatisierung der Ereignisse kommen. Das zeichnet sich ja jetzt schon ab.