Katholische Kirche will Urteil gegen Berlusconi nicht beurteilen - das jüngste Kapitel in der Geschichte eines angespannten Verhältnisses

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Schlagzeilen macht Silvio Berlusconi täglich. Ob selber als Chef eines Medienimperiums oder als Politiker, wie am Mittwoch: Italiens Verfassungsrichter machen den Weg für seine Strafverfolgung frei. Der Ministerpräsident verliert seine Immunität. Nun hat sich die Katholische Kirche zu Wort gemeldet - kommentieren will sie aber nicht. Das Verhältnis zwischen Rom und Vatikan ist schon länger angespannt.

 (DR)

Der Sprecher der italienischen Bischofskonferenz, Domenico Pompili, erklärte am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur, es gehe um eine «vornehmlich politische Angelegenheit». Der Konferenzvorsitzende Kardinal Angelo Bagnasco werde sich frühestens bei der nächsten Bischofsversammlung in seinem Grundsatzreferat zu der Entwicklung äußern. Das Treffen findet vom 9. bis 12. November in Assisi statt.

Nach Einschätzungen aus Kirchenkreisen wollen die Bischöfe eine deutliche Positionsnahme vermeiden. Im Hintergrund stehen unter anderem Verhandlungen um staatliche Mittelzuweisungen für Privatschulen, darunter viele in katholischer Trägerschaft. Zudem liegt im Parlament ein Bioethik-Gesetzesverfahren, bei dem Berlusconi ein Votum im Sinn der katholischen Kirche zugesagt hat.

Hintergrund des angespannten Verhältnisses sind nicht nur Berlusconis privaten Eskapaden, sondern auch seine Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, auf die katholische Medien des Landes kritisch reagierten. Jüngster Zwischenfall war eine Kampagne des berlusconinahen Blatts Il Giornale gegen den inzwischen zurückgetretenen Chefredakteur der bischöflichen Zeitung Avvenire, Dino Boffo, wegen einer angeblichen homosexuellen Affäre.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi schätzt seine Beziehungen zum Vatikan ungeachtet der jüngsten Medienfehde mit der katholischen Tageszeitung "Avvenire" als "ausgezeichnet" ein. Als Beleg für eine breite Einigkeit mit der katholischen Kirche berief sich der Regierungschef auf eine gemeinsame Verteidigung grundlegender Werte wie das menschliche Leben und die Familie. Die Regierung werde ihre "herausragenden Beziehungen" mit dem Heiligen Stuhl auch bei einem anstehenden Gesetz über Patientenverfügungen zum Lebensende unter Beweis stellen, betonte der Mitte-Rechts-Politiker.

Mediencoup Treffen mit Papst
Zuletzt war dem nach eigenen Bekunden 1,71 Meter großen Staatsmann Ende September dann auch ein Mediencoup gelungen, um dieser Einschätzung Nachdruck zu verleihen: Pünktlich zum Abflug des Papstes nach Tschechien tauchte der italienische Regierungschef am VIP-Terminal von Ciampino auf, um Benedikt XVI. zu verabschieden. Ein Auftritt wie Kai aus der Kiste, mit allen Effekten. Berlusconi war am Samstagmorgen in Rom gelandet, vom G-20-Gipfel mit den Mächtigen der Welt aus Pittsburgh kommend - eine gute halbe Stunde, bevor der Papst dort Richtung Prag starten sollte. So wirkte es nur wie eine Geste der Höflichkeit und Reverenz, dass der Cavaliere das Kirchenoberhaupt begrüßte - vor Fotografen natürlich.

Faktisch beschränkte sich die Begegnung des Mitte-Rechts-Politikers mit dem Papst auf einige wenige Worte im Gehen, bevor letzterer die Maschine nach Prag bestieg. Vatikansprecher Federico Lombardi betonte anschließend vor Journalisten, es habe während der zwei Minuten kein eigentliches Gespräch zwischen Berlusconi und Benedikt XVI. gegeben.

Die kurze Begegnung fand in den Zeitungen des Landes großen Nachhall. "La Stampa" schrieb in der Schlagzeile von einem "Neustart des Dialogs" zwischen Papst und Berlusconi. Auch die ersten beiden Innenseiten befassten sich mit dem als "Operation Ciampino" bezeichneten Blitzbesuch des Regierungschefs beim Aufbruch des Papstes zu seiner Tschechienreise. Jetzt sei "das Schlusswort nach den Spannungen zwischen Kirche und Regierung gesprochen", zitierte das Blatt eine Quelle aus Berlusconis Dienstsitz Palazzo Chigi.

Berlusconi verliert Zustimmung bei Katholiken
Bei katholischen Wählern verliert Berlusconi immer mehr Unterstützung. Laut einer Umfrage jüngst ist die Zustimmung von praktizierenden Katholiken zum Chef des Mitte-Rechts-Bündnisses von 55 Prozent im April auf zuletzt 50 Prozent gesunken.

Zugleich stieg in dieser Wählergruppe während der vergangenen Wochen das Ansehen der Kirche leicht an: 85 Prozent erteilten nach der Erhebung ihrer Glaubensinstitution eine positive Wertung, zwei Prozent mehr als im April. Für das Meinungsbild wurden nach Angaben der Zeitung 800 Personen befragt.