Armin Laschet wirbt für mehr Integration

Plädoyer für eine "Willkommenskultur"

Zwar ist die Zeit der großen Koalition in Berlin vorbei. Angesichts des Fünf-Parteien-Systems hat aber das Lagerdenken ausgedient. Ein Beispiel dafür ist und liefert der CDU-Politiker Armin Laschet. In seinem am Donnerstag im domradio-Interview vorgestellten neuen Buch geht er mit dem bürgerlichen Lager hart ins Gericht und prangert eine über Jahrzehnte verfehlte Ausländerpolitik an.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Um zugleich die einst nur von der Linken vertretene These zu untermauern, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und daraus politische Konsequenzen zu fordern.

Nicht ohne Grund stellte Laschet am Donnerstag in Düsseldorf sein Werk mit dem grünen Urgestein Daniel Cohn-Bendit vor. Dessen 1992 mit dem heutigen "Welt"-Chefredakteur Thomas Schmid veröffentlichtes Buch "Heimat Babylon - Das Wagnis der multikulturellen Demokratie" sei der politischen Klasse um zwei Jahrzehnte voraus gewesen, so der CDU-Politiker. Allerdings nicht nur der Union, die Cohn-Bendit fälschlicherweise als "Revoluzzer" und "Multikulti-Spinner" gesehen habe, sondern auch den Grünen, die Deutschlernen für Ausländer als "Zwangsgermanisierung" verteufelt hätten.

Kernaussage von Laschet: Die nach wie vor mangelhafte Integration der Menschen mit ausländischen Wurzeln schmälert nicht nur deren persönliche Zukunftschancen, sondern auch die der gesamten Gesellschaft. Denn angesichts des demografischen Wandels und des zu erwartenden Fachkräftemangels könne Deutschland auf das "Potenzial" der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einfach nicht verzichten. Zwar sei mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 die Notwendigkeit von Integration anerkannt worden, doch fielen die Defizite "leider noch deutlich ins Auge". Vor allem die Chancenlosigkeit ausländischer Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt bewegt den Politiker.

Loslösung von der "Das-Boot-ist-voll"-Mentalität
Entschieden verlangt er eine Loslösung von der "Das-Boot-ist-voll"-Mentalität. So wie vor 60 Jahren nach dem Krieg die Vertriebenen und vor 20 Jahren die Ostdeutschen in die bundesdeutsche Gesellschaft eingegliedert worden seien, so sei nun die "dritte Einheit" zu vollziehen: eben die Integration der Ausländer. Konkret plädiert er für ein Bundesintegrationsministerium. Zugewanderte, die in Deutschland "30 Jahre hart gearbeitet haben", müssten die doppelte Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen. Für die junge Generation müsse die Bildung erheblich verbessert werden.

Weiter wendet sich Laschet gegen eine rigorose Trennung von
Flüchtlings- und Integrationspolitik. Wer als Flüchtling den Weg aus desolaten Verhältnissen gefunden habe, der habe Mut, Ausdauer und Kreativität bewiesen und sei deshalb wertvoll für Deutschland. Die Asylpolitik Deutschlands und der übrigen EU-Staaten sei zu viel zu restriktiv, der Zugang zum Asylverfahren zu stark erschwert und der Anteil anerkannter Asylanträge zu gering. Und Flüchtlingen ohne Papiere müssten "Spielräume für ihre schrittweise legale Aufenthaltsverfestigung" zugestanden werden. Die Meldepflicht für statuslose Kinder in Schulen sollte entfallen.

Für seine Argumentation zitiert Laschet unter anderen auch Kirchenvertreter, so den Paderborner Weihbischof Matthias König. Der erzählte ihm von dem Armenier Arutjun Vadanjan. Seine Eltern kamen mit ihm ohne Papiere nach Deutschland, als er sieben Jahren alt war.
Er besuchte deutsche Schulen, um dann kurz vor der mittleren Reife mit 18 Jahren abgeschoben zu werden. Für Laschet ist es eine "ethische Frage, ob man Kinder so drastisch für das Fehlverhalten der Eltern bestrafen darf". Und eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, auf solche Kinder nicht zu verzichten. Kritisch merkt der Politiker an: Eine "Willkommenskultur für Zugewanderte" wird wohl noch mehrere Jahre oder Jahrzehnte auf sich warten lassen. Laschet will aber nicht warten - und mit seinem Buch Tempo machen. Am meisten wohl in den eigenen Reihen.

Hinweis: Armin Laschet: Die Aufsteigerrepublik - Zuwanderung als Chance, Kiepenheuer und Witsch, Köln 2009, 304 Seiten, 19,95 Euro