Umweltexperten warnen vor Abkehr vom Atomausstieg - Franz Alt im Interview

Comeback der AKW?

Umweltexperten aus Politik, Kirche und Gesellschaft haben die neu gewählte schwarz-gelbe Regierungskoalition vor einer Abkehr vom Atomausstieg gewarnt. Im domradio-Interview fordert Ökostrom-Verfechter Franz Alt eine schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien - aus mannigfachen Gründen. Er hofft auf eine Renaissance der Anti-Atomkraft-Bewegung.

 (DR)

Die Umweltexperten erwarten nach der Bundestagswahl eine neue kontroverse Debatte über Restlaufzeiten von Atomkraftwerken, Energiepolitik und Umweltschutz. Mit ihren Befürchtungen reagierten sie auf Äußerungen von CDU-Politikern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, Katharina Reiche und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger.

Reiche etwa sprach in ARD und ZDF von der Kernenergie als notwendiger «Brückentechnologie» und von dem Ziel, längere Laufzeiten von Atomkraftwerken erreichen zu wollen. Ähnlich äußerte sich auch Oettinger. Merkel sagte, sie habe nicht die Absicht, ihr Regierungsprogramm mit dem Bekenntnis zu längeren Laufzeiten sicherer Kraftwerke zu widerrufen.

Im WDR rief die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth zu «massiver Opposition» auf. Zudem sei zu befürchten, dass Schwarz-Gelb versuchen werde, den Weg für die erneuerbaren Energien zu «verstopfen». Ähnlich äußerte sich die Grünen-Politikerin Renate Künast im ZDF.

Belastungen auch im Normalbetrieb
Das Bündnis Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) unterstrich die Forderung nach einem Sofortausstieg aus der Atomenergie. Auch die Uranfabriken in Lingen und Gronau müssten sofort stillgelegt werden, erklärte der BBU am Montag in Bonn. Schon im Normalbetrieb belasteten die Atomkraftwerke die Umwelt mit dem radioaktiven Tritium im Abwasser.

Auch drohe unter der neuen Regierung der Klimaschutz insgesamt ins Abseits zu geraten, befürchtet der bundesweite Dachverband von Umwelt- und Anti-Atomkraft-Initiativen. Schwarz-Gelb werde seine «schützende Hand» über Kohlekraftwerke und Müllverbrennungsanlagen ausbreiten. Ebenso seien bei Chemieanlagen Rückschritte im Immissionsschutz und bei der Anlagensicherheit zu befürchten.

Ähnlich äußerte sich auch der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Klaus Breyer. Wenn die zentrale Energieversorgungsstruktur über Atomkraftwerke weiter festgeschrieben werde, komme der Wechsel auf erneuerbare Energien «wahrscheinlich später und langsamer», sagte er in Schwerte dem epd. «Das wäre eine sehr schlechte Entwicklung.» Falls die begonnene Klimaschutzpolitik aufgeweicht wird, fürchtet Breyer Konflikte in der Gesellschaft. Wenn beim Ausstieg aus der Kernenergie und beim Klimaschutz «Verzögerungen eintreten, glaube ich, dass es Auseinandersetzungen geben wird».