Reaktionen auf Berliner Urteil zu Gebeten in Schulen

Geteiltes Echo

Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zu islamischen Gebeten an öffentlichen Schulen ist auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Während Politiker von SPD und Grünen die Entscheidung der Richter zugunsten der freien Religionsausübung auch in staatlichen, weltanschaulich neutralen Bildungseinrichtungen kritisierten, zeigte sich die CDU am Mittwoch gespalten.

 (DR)

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Dienstag islamische Mittagsgebete an Schulen in der Stadt erlaubt. Mit ihrem Urteil bestätigten die Richter eine im März 2008 ergangene Eilentscheidung. Geklagt hatte ein 16-jähriger muslimischer Gymnasiast aus dem Stadtteil Wedding. In seiner Stellungnahme vor Gericht betonte der Schüler, das Gebet sei seine religiöse Pflicht und er müsse die Gebetszeiten einhalten.

«Religionsfreiheit umfasst auch das Recht des einzelnen, seinen Glauben zu bekunden», erklärten der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Stefan Müller (CSU), und die Kirchenbeauftragte der Fraktion, Ingrid Fischbach (CDU), in Berlin. Gebetsräume allein für Muslime sollte es aber nicht geben. Demgegenüber warnte der Berliner CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Henkel davor, zu viele Einzelinteressen zuzulassen: «Schule muss neutral bleiben», sagte er der «Berliner Morgenpost» (Mittwochsausgabe).

Ähnlich äußerte sich auch der bildungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Özcan Mutlu. In einer staatlichen Einrichtung dürfe keine Religion ein Vorrecht auf ein Gebet bekommen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei «integrationspolitisch ein falsches Signal», das für die Schulbehörden kaum realisierbar sei.

Kritik am Urteil äußerten in der «Berliner Morgenpost» auch der Sprecher des Landeselternausschusses, André Schindler, sowie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). «Das ist ein weiterer Schritt zur Verfestigung der Parallelgesellschaften und zur Spaltung der Gesellschaft», warnte der Kommunalpolitiker.

Die Berliner Senatsschulverwaltung hatte vor dem Verfahren auf die Pflicht des Staates zu weltanschaulicher Neutralität verwiesen und sich gegen die Zulassung des Mittagsgebets ausgesprochen. In einer ersten Reaktion bedauerte die Senatsbildungsverwaltung, dass das Gericht dem Grundrecht auf Religionsfreiheit Vorrang vor der Neutralitätspflicht der öffentlichen Schule eingeräumt habe. Ob gegen das Urteil Berufung eingelegt werde, solle erst nach eingehender Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung entschieden werden.

Kirche und Muslime erfreut
Dagegen hatte die evangelische Kirche das Urteil begrüßt. Es mache deutlich, dass die Neutralitätspflicht der Schule nicht im Gegensatz zum Grundrecht eines Schülers auf Religionsfreiheit stehe, sagte Kirchensprecher Volker Jastrzembski gegenüber epd. Auch das katholische Erzbistum begrüßte die Entscheidung. Diese stärke die Religionsfreiheit, sagte Bistumssprecher Stefan Förner der «Berliner Morgenpost».

Die großen Islamverbände in Deutschland haben den Berliner Gerichtsentscheid zum muslimischen Gebet in Schulen begrüßt. Das Urteil bestärke das Recht auf freie Religionsausübung, sagte der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Ayyub Axel Köhler, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Köln. «Wir freuen uns über die freie Religionsausübung und über den Respekt vor der Glaubensüberzeugung des Anderen», so Köhler weiter. «Auf dieser Tugend beruht unsere politische Kultur.» Das Urteil bestätige «das Vertrauen der Muslime in unseren Rechtsstaat».

Das Berliner Verwaltungsgericht erlaubte am Dienstag einem muslimischen Gymnasiasten, weiterhin in einer Unterrichtspause das rituelle Mittagsgebet zu verrichten, und bestätigte damit eine vorläufige Eilentscheidung vom März 2008. Der Vorsitzende Richter Uwe Wegener betonte, die Entscheidung bedeute nicht, dass die Schule einen Gebetsraum zur Verfügung stellen müsse. Sie dürfe den Schüler aber nicht an der Ausübung seiner Religion hindern.

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) sprach sich für «praxisorientierte Lösungen vor Ort» aus. Der Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger sagte am Mittwoch in Berlin, die Behörden sollten aus dem Urteil keine generellen Vorschriften ableiten, die die Schulen zu stark einengten. Die generelle Deklarierung von eigenen Gebetsräumen sei weder aus räumlichen noch aus organisatorischen Gründen notwendig und sinnvoll.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisierte unterdessen, dass die säkulare Gesellschaft die Toleranz gegenüber den Religionen verlernt habe. Religiöse Einstellungen und Verhaltensweisen würden «nur als kulturelle Besonderheiten toleriert, nicht aber ernstgenommen», schrieb er in einem Gastbeitrag für den Berliner «Tagesspiegel» ohne ausdrücklichen Bezug auf das Urteil. Die Nichtakzeptanz der multireligiösen Gesellschaft und ihre Verschleierung als multikulturelles Milieu schaffe erst die eigentlichen Parallelgesellschaften.