Reaktionen und Positionen aus Kirche und Gesellschaft nach der Bundestagswahl

Nach der Wahl ist vor dem Kampf

Die SPD verliert auf ganzer Linie - auch ihre bisherige kirchenpolitische Sprecherin. Nur ein weiteres Ergebnis der Bundestagswahl. Weitere Konsequenzen und Forderungen aus Kirche und Gesellschaft finden Sie hier.

 (DR)

Der Kauzinermönch Bruder Paulus Terwitte fordert im domradio-Interview: Kirche muss sich jetzt und in Zukunft in Fragen von Ethik und Moral in die Politik einmischen.

Mit Ausnahme der SPD-Abgeordneten Kerstin Griese haben die kirchenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen ihre Mandate wieder errungen und gehören dem Parlament auch in der neuen Legislaturperiode an. Griese, die zuletzt maßgeblich an dem Koalitionskompromiss für eine bessere Beratung bei Spätabtreibungen mitgewirkt hatte, konnte ihren Wahlkreis im nordrhein-westfälischen Mettmann am Sonntag nicht wieder erobern. Durch die Stimmenverluste der SPD reichte auch ihr Listenplatz für ein Mandat nicht aus.

Die kirchenpolitische Sprecherin Ingrid Fischbach (CDU) kam über die nordrhein-westfälische Landesliste wieder in den Bundestag, ebenso der Kirchenbeauftragte der FDP-Fraktion, Hans-Michael Goldmann aus Niedersachsen. Für die Grünen zog deren bisheriger kirchenpolitischer Sprecher Josef Winkler über die rheinland-pfälzische Landesliste wieder in den Bundestag ein. Winkler gehört auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. Die Linksfraktion hatte ihren kirchenpolitischen Sprecher bereits nach den Landtagswahlen im August nach Thüringen ziehen lassen: Bodo Ramelow verhandelt dort über die Bildung einer rot-roten Koalition.

Besonders niedrige Wahlbeteiligung vor allem in armen Stadtteilen  
In vielen armen und sozial schwachen Stadtteilen in NRW-Kommunen ist die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl besonders niedrig ausgefallen. So nahmen nach Angaben der Stadt Köln in Chorweiler nur rund 43 Prozent der Stimmberechtigten ihr Wahlrecht wahr, in Kalk und Höhenberg lediglich rund 54 Prozent. In Duisburg-Marxloh gingen der Stadt Duisburg zufolge nur 44,6 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl, in Essen-Stadtmitte knapp 53 Prozent.

Dem gegenüber lag die Wahlbeteiligung in gut situierten Stadtteilen wie Köln-Hahnwald bei 87 Prozent oder in Essen-Bredeney bei 86 Prozent - bei einem Bundesdurchschnitt von 72,5 Prozent.

Diese Ergebnisse bestätigen die Aussagen des Soziologen Armin Schäfer vom Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIFG), der bereits Anfang des Monats vor den Folgen einer sinkenden Wahlbeteiligung in armen Stadtteilen gewarnt hatte. "Wir müssen aufpassen, dass nicht Teile der Bevölkerung von der politischen Teilhabe abgekoppelt werden", erklärte er in einem auf der Internetseite der MPIFG veröffentlichten Interview.
Schließlich schwinde auch die Legitimationskraft von Wahlen.

Katholische Kirche: Zu Entwicklungsministerium bekennen
Nach dem Wahlsieg von CDU, CSU und FDP bei der Bundestagswahl hat die katholische Kirche die Union aufgefordert, sich für den Erhalt des Entwicklungsministeriums einzusetzen. "Ein Aufgehen des Ressorts im Außenministerium, wie von der FDP geplant, wäre für uns nicht akzeptabel", sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick der "Frankfurter Rundschau" (Dienstagsausgabe). Die Union habe bisher keine verbindliche Zusage für den Erhalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit gegeben, beklagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für weltkirchliche Fragen. Eine klare Zusage müsse nun erfolgen.

Schick äußerte die Befürchtung, dass Entwicklungsministerium werde bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP als "Verfügungsmasse" missbraucht. Entwicklungshilfe könne nicht der Außenpolitik zugeordnet werden, wiedersprach der Erzbischof der FDP. Außenpolitik vertrete "naturgemäß deutsche Interessen". Schick forderte die neue Bundesregierung auf, mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. "Die hoch gesteckten Ziele beim Klimaschutz werden nicht erreichbar sein, wenn die Investitionen in die Entwicklungshilfe nicht steigen", warnte der Erzbischof.

KKV: Profil der Sozialen Marktwirtschaft schärfen
"Deutschland hat die besten Jahre noch vor sich - so Bundeskanzlerin Angela Merkel vor mehr als einem Jahr. Jetzt liegt es in den Händen der künftigen schwarz-gelben Regierungskoalition, diese Prognose auch in die Tat umzusetzen." Mit diesen Worten kommentierte Bernd-M. Wehner, Vorsitzender des Bundesverbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), das Ergebnis der Bundestagswahl. Gleichzeitig fordert der katholische Sozialverband von der künftigen Regierung der Idee "Soziale Marktwirtschaft" und vor allem ihrer Umsetzung zu einer Renaissance zu verhelfen.

"Deutschland hätte in den 50er Jahren nicht das Wirtschaftswunder in der Sozialen Marktwirtschaft erlebt, wären die Väter dieser Idee nicht von den Grundsätzen der christlichen Soziallehre überzeugt gewesen.
Personalität, Solidarität und Subsidiarität sind auch heute noch die tragenden Säulen eines nachhaltig wirtschaftenden Marktes", so Wehner weiter.