Katholische Kirche zur niedrigen Beteiligung und den Ergebnissen der Bundestagswahl

"Inhalte werden zählen, nicht das C im Namen"

Eine Bundestagwahl mit einer Wahlbeteiligung von 71,2 Prozent - historisch niedrig und für die Katholische Kirche alarmierend. "Eine bittere Erfahrung", sagt Prälat Karl Jüsten. Im domradio-Interview spricht der Leiter des Katholischen Büros in Berlin außerdem über das Abschneiden der Parteien und die Erwartungen an die kommende Regierung.

 (DR)

domradio: Schwarz-Gelb wird wohl die nächste Regierung - Ihr Wunschergebnis?
Jüsten: Zunächst einmal hatten wir uns gewünscht, dass die Wahlbeteiligung höher liegt. Wenn Sie sich an das Wahlruf der Bischöfe erinnern, da hatten wir die Bürger aufgerufen von ihrem Wahlrecht Gebraucht zu machen - und das ist nicht in dem Maße angewandt worden, wie wir uns das gewünscht haben. Eine bittere Erfahrung. Das Zweite ist: Die Parteienlandschaft hat sich verschoben. Für die SPD ist es ein desaströses Ergebnis, aber auch die CDU kann nicht jubeln, auch sie hat noch einmal mehr verloren. Die einzigen, die sich als Wahlgewinner bezeichnen können, sind die kleinen Parteien. Und zu den kleinen Parteien haben wir unterschiedliche, ambivalente Verhältnisse. Mit der Linkspartei tun wir uns traditionell scher. Bei den anderen Parteien gucken wir darauf, wie die inhaltlich aufgestellt sind. Wir werden auch die CDU nach dem bewerten, was sie inhaltlich tut. Und nicht einfach danach, ob sie das C im Namen hat.

domradio: Jetzt steht fest, welche Regierung wir bekommen - wie sehen Sie in die Zukunft?
Jüsten: Es gibt einige Themen, die sicherlich gut von dieser Koalition bewältigt werden. Insbesondere überall da, wo es um die Freiheitsrechte der Bürger geht, wo es um die Wahlrechte der Bürger geht - da wird die kommende Regierung sicherlich viel von dem erfüllen, was wir auch gerne haben. Ich kann mir vorstellen, dass auch in der Wirtschaftspolitik das eine oder andere, was mit unseren Vorstellungen übereinander kommt. Erzbischof Zollitsch hat ja eine solide Finanzpolitik angemahnt. Aber da merken sie schon: das wir auch wieder kritisch. Er hat ja gesagt, das Ganze darf nicht auf Pump passieren. Da stellt sich dann die Frage, wie sich das verhält: Steuersenkungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite Schuldenabbau. Wie das gehen soll, muss die Koalition noch erklären.

domradio: CDU und FDP waren traditionell immer näher an den "Leistungsträgern" unserer Gesellschaft - haben Sie keine Angst, dass die Schere in Deutschland noch weiter auseinander geht?
Jüsten: Die CDU war immer auch eine Partei der "Kleinen Leute", vor allen Dingen in Bayern die CSU. Aber das Thema ist wichtig: Ob die soziale Symmetrie in Deutschland gewahrt bleibt, wird sich noch zeigen. Die CDU sollte genau gucken, warum und an wen sie Stimmen verloren hat. Und da wird sie sicher merken, dass sie in den Bevölkerungsschichten, denen soziale Gerechtigkeit wichtig ist, in den letzten Jahren kontinuierlich verloren haben. Das fing ja an mit Leipzig, als die CDU viele Grundprinzipien ihrer Sozialpolitik über Bord geworfen hatte. Und seitdem hat die CDU eigentlich kontinuierlich an Stimmen verloren. Von daher ist Ihre Frage berechtigt.

Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge.

Erzbischof Zollitsch: Jetzt müssen Taten folgen
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat sich alarmiert über die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl gezeigt. «Ich hätte mir eine höhere Beteiligung gewünscht», sagte der Freiburger Erzbischof am Sonntagabend der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Wähler habe entschieden, «jetzt geht es an die Arbeit». Dem Wahlkampf müssten Taten folgen.

Die Wahlbeteiligung an diesem Sonntag lag mit gut 71 Prozent mehr als sechs Prozent unter dem Wert von 2005 und bedeutete mit Abstand die geringste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik.