Neuer Vertriebenenbischof Reinhard Hauke

"Als Brücke im zusammenwachsenden Europa"

Ein Generationswechsel mit Signalwirkung: Die Bischöfe haben den Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke zum Beauftragten ihrer Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge berufen. Er ist 19 Jahre jünger als sein Vorgänger, der im Sommer ausgeschiedene Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Der 75-jährige sah sich meist auf Seiten der Vertriebenenverbände und legte sich dabei auch mit Mitbrüdern an. Der neue Mann aus Ostdeutschland ist für seine seelsorgerliche Offenheit bekannt. Verschiedene pastorale Initiativen des früheren Erfurter Dompfarrers fanden in Ostdeutschland Nachahmung und sorgten bundesweit für Beachtung.

Pieschl, der das Amt gut 25 Jahre ausfüllte, hat das Schicksal der Vertreibung noch direkt erlebt. Er wurde in Mährisch-Trübau in der heutigen Tschechoslowakei geboren und wuchs dort auf. Geburtsort seines Nachfolgers Hauke ist das thüringische Weimar. Dabei hat die Konferenz durchaus noch ältere Bischöfe mit eigener Erfahrung von Flucht oder Vertreibung. Ihr Vorsitzender Robert Zollitsch stammt aus dem heutigen Jugoslawien, Kölns Kardinal Joachim Meisner ist Schlesier, sein Berliner Kollege Georg Sterzinsky Ostpreuße aus dem Ermland.

Doch auch Hauke stammt aus einer Vertriebenen-Familie. "Ich habe schlesische Wurzeln bei Vater und Mutter", erzählt er. Der Vater kam aus Kattowitz, die Mutter aus Liebenau im Riesengebirge. Der Bischof sagt erst den polnischen Namen Lubawka, dann Liebenau. Seine älteren vier Geschwister wurden noch in Schlesien geboren, ein fünftes und Reinhard Hauke als jüngster in Weimar.

Leben in der DDR-Diaspora
Was bedeutet die verlorene Heimat? Hauke erzählt vom Leben der katholischen Familie in der DDR-Diaspora. "Die schlesischen Wurzeln, was die Unaufgeregtheit des Glaubens angeht, dieses bodenständige Christentum, haben mich geprägt", so der Weihbischof. Zu DDR-Zeiten waren sie nicht Vertriebene oder Aussiedler, sondern im offiziellen Sprachgebrauch "Umsiedler". Das politische Thema der Vertreibung sei ihm dann nach der Wende neu bewusst geworden. Vor dem Mauerfall habe die persönliche Aufarbeitung gar nicht erfolgen können.

Viele Flüchtlingsfamilien kamen nach 1945 aus Schlesien und dem Sudetenland nach Thüringen. Im Gebiet des heutigen Bistums Erfurt vervierfachte sich damals die Zahl der Katholiken. Wie Hauke weiter erzählt, verschlug es die Geschwister der Mutter indes nach Westdeutschland; die "Zerrissenheit der Familie" wurde letztlich erst mit dem Fall der Mauer beendet.

Der Erfurter Weihbischof kennt auch den Schmerz des Verlusts. Einmal fuhr er mit seiner damals schon über 80-jährigen Mutter zurück in deren alte Heimat. "Da ist sie aus dem Auto ausgestiegen und schnurstracks zum Haus gegangen, fast so, als ob es noch ihr gehört...." Die polnischen Bewohner "waren sehr freundlich", es gab Kaffee und Kuchen und Erinnerungen.

"Es sollte um Versöhnung gehen"
Im deutsch-polnischen Konflikt um das Zentrum gegen Vertreibungen will der Weihbischof zur Versöhnung beitragen. "Es sollte um Versöhnung gehen. Denn Geschichte darf man nicht nur als Katastrophe sehen." Das Zentrum solle den Blick in die Gegenwart richten. Auch heute noch "passieren weltweit Vertreibungen, die man als Unmenschlichkeit darstellen muss".

Die zweite und dritte Generation der Vertriebenen, mahnt Hauke, müssten heute "aus der Geschichte Lehren ziehen und Brücken schlagen". Gerade in einem zusammenwachsenden Europa könnten sie Verbindungen und Verständigung herstellen. Dabei bleibe jedoch die Vertreibung "Teil unserer Geschichte". Als Seelsorger wolle er seinen Teil dazu beitragen. Vielleicht hilft ihm da sein bischöflicher Wahlspruch: "Deus pacis sanctificet vos" - "Der Gott des Friedens heilige Euch".