Dokumentarfilm über Folgen einer Gewalttat

Vom schweren Weg zur Vergebung

Manche Fernsehfilme nehmen ihren Anfang durchs Fernsehen. Der "Gott und die Welt"-Beitrag "Sie wissen, was sie tun. Die Geschichte einer Gewalttat" des Dokumentarfilmers Stefan Suchalla ist so eine Produktion.

Autor/in:
Monika Herrmann-Schiel
 (DR)

Im Oktober 2008 zappte Suchalla in die MDR-Talkshow "Unter uns". Im Studio erzählten Johannes Falken und seine Mutter von ihrem Schicksal. Die Geschichte von Johannes, der Opfer einer Gewalttat geworden war, beschäftigte Suchalla so, dass er einen Film über den jungen Mann aus Leuna drehen wollte. Die ARD strahlt ihn am 20. September um 17.30 Uhr aus.

Am 20. Juli 2007 war der damals 19-jährige Gymnasiast Johannes Falken mit Freunden bei einem Konzert in Halle. Als sie gegen zwei Uhr morgens auf dem Heimweg sind, treffen sie auf eine Gruppe betrunkener, aggressiver Jugendlicher, die sie bedrohen. Sie flüchten und verlieren sich im Gassengewirr der Altstadt. Johannes ist plötzlich allein, kann zunächst entkommen und trifft dann auf Patrick Herrmann und Sascha Lüdicke, die ihn niederschlagen. Noch einmal gelingt ihm die Flucht.

In der Nähe des Doms gerät Johannes in eine Sackgasse und wird dort von den beiden so zusammengeschlagen und getreten, dass er schwerste Kopfverletzungen erleidet. Wochenlang liegt er wegen einer Hirnblutung im Koma. Die Ärzte retten ihm das Leben. Für Johannes beginnt ein mühsamer Kampf: Er sitzt im Rollstuhl, muss wieder sprechen lernen, den Gebrauch der Hände trainieren. Als er Johannes kennengelernt habe, konnte dieser nicht einmal selbst telefonieren, erinnert sich Stefan Suchalla. Zu diesem Zeitpunkt empfindet Johannes gegenüber den Tätern nur "abgrundtiefen Hass".

Bitte um Vergebung
Im Januar 2008 werden Patrick Herrmann und Sascha Lüdicke zu fünf beziehungsweise neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Sascha geht in Berufung. Patrick nimmt das Urteil an und kommt in die forensische Psychiatrie zum Alkohol-Entzug. In der Haft wird er von der Ordensschwester Basilia besucht. Ihr vertraut sich Patrick an. Er bereut, was er Johannes angetan hat, und bittet ihn schriftlich um Verzeihung.

Johannes weigert sich zunächst, den Brief auch nur zu lesen. Schwester Basilia, die in der katholischen Gemeinde von Leuna aufgewachsen ist, nimmt Kontakt zur Familie Falken auf. Johannes' Vater war bis zur Pensionierung als katholischer Diakon tätig. Schwester Basilia versucht, ein Gespräch zwischen Johannes und Patrick zu vermitteln. Auch auf Johannes lastet ein Druck. Die Frage nach der Vergebung quält den gläubigen Christ. Schwester Basilia erinnert ihn an die Worte Jesu "Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."

Wird Johannes vergeben können? Wird es zu einer Begegnung zwischen Johannes und Patrick kommen? All dies beobachtet Stefan Suchalla mit der Kamera, und er wird Zeuge einer überraschenden Entwicklung. Chronologisch erzählt sein Film die Geschichte einer Annäherung.

Dritter Film über Beziehung Opfer Täter
Es ist die dritte filmische Arbeit, in der sich der Dokumentarist mit der Beziehung von Opfer und Täter befasst. 2001 in "Blut und Ehre" ging es darum, was geschieht, wenn ein Opfer gleichzeitig Täter ist. In dem 2004 mit dem Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises ausgezeichneten Film "Maison de France" erzählte er die Geschichte eines Bombenattentats 1983 in Berlin sowohl aus der Perspektive der Täter wie eines Opfers.

Es sei ihm wichtig, Entwicklungen aufzuzeichnen und aufzuspüren, erklärt Suchalla. Dabei wird er manchmal auch zum Zeugen. Während der Dreharbeiten am Tatort in Halle kam es dort wieder zu einer Gewalttat von Jugendlichen. Die flüchtenden Täter liefen Suchalla durchs Bild. Das Filmmaterial liegt jetzt bei den Ermittlern. Unwissende seien diese jungen Schläger nicht, auch wenn sie manchmal so tun, sagt der Dokumentarist und stellt fest: "Sie wissen, was sie tun."