Bischof Gerhard Ludwig Müller zur Bilanz der Heilig-Land-Reise

Die volle Gemeinschaft rückt näher

Die Heilig-Land-Reise der Ökumene-Delegation der Deutschen Bischofskonferenz geht ihrem Ende entgegen. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller zieht als Vorsitzender der Kommission im domradio eine erste Bilanz des viertägigen Solidaritätsbesuch mit den Christen im Heiligen Land. Auf dem Programm standen Begegnungen mit den Repräsentanten der verschiedenen christlichen Konfessionen.

In Jerusalem: Die Bischöfe Müller, Musinghoff und Feige mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III.  (KNA)
In Jerusalem: Die Bischöfe Müller, Musinghoff und Feige mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III. / ( KNA )

domradio: Was hat es die Deutsche Bischofskonferenz dazu bewogen, jetzt eine Delegation von Bischöfen aus den 27 Bistümern nach Jerusalem - zu schicken?
Bischof Gerhard Ludwig Müller: Bei diesem Bischofsbesuch ging es um die Relation zum Judentum aber auch zu den anderen christlichen Kirchen, und das sollte jetzt noch einmal unterstrichen werden, weil wir von Deutschland aus in besonderer Weise international in der Ökumene engagiert sind. Jerusalem als Brennpunkt des Zusammenlebens von Christen verschiedener Kirchen sollte in besonderer Weise in den Blick genommen werden. Diese Besuche sollen die schon gewachsene Gemeinschaft anzeigen.

domradio: Welche Rolle spielt da der Zeitpunkt, also 20 Jahre nach dem Mauerfall und 70 Jahre nach Kriegsbeginn?
Bischof Gerhard Ludwig Müller: Diese Daten zeigen doch, dass sich in der Weltgeschichte seitdem sehr viel verändert hat und vieles sich auch zum Positiven gewandelt hat. Die Trennung von Ost und West ist überwunden und jetzt kann das beginnen, was Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika so schön ausgedrückt hat: Dass die Kirche wieder mit beiden Lungen atmen kann, die Ost- und die Westkirche gemeinsam. Und somit dem Ziel der vollen Gemeinschaft in den Sakramenten und im Glaubensbekenntnis doch wesentlich näher gerückt ist.

domradio: Sie besuchen hochrangige Vertreter der Ostkirchen in Jerusalem. Was berichten ihnen diese über die Ökumene im Heiligen Land, wo ja alle christlichen Konfessionen wie in einem Schmelztiegel zusammenleben?
Bischof Gerhard Ludwig Müller: Es ist ein Brennpunkt des Zusammenlebens, -wirkens und auch des Zusammenstreitens der christlichen Konfessionen, wie sie vielleicht in dieser Konzentration nirgends gegeben ist, als in der Ursprungsstadt des christlichen Glaubens. Deshalb haben wir hier einen gewissen Gradmesser der Beziehungen. Und ich glaube sehen zu können, dass man hier auch näher gerückt ist und dass man doch die allgemeine ökumenische Entwicklung mit vollzieht und die neuralgischen Punkte Auseinadersetzung gelindert sind. Man muss hier Vorreiter sein für eine gelebte Ökumene. Nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern im ganz konkreten Zusammensein der Christen.

domradio: Sie haben sich auch über die Probleme der Christen vor allem in den palästinensischen Gebieten unterhalten. Wie ist deren Lage?
Bischof Gerhard Ludwig Müller: Die Lage ist nicht so gut, weil eben auch die christlichen Palästinenser durch die politischen Bedingungen in vielem eingeschränkt sind. Es besteht die Gefahr, dass durch Auswanderung die christliche Präsenz im Heiligen Land sehr stark zurückgeht. Da wollen wir die Menschen in Europa ermuntern, ins Heilige Land zu fahren und nicht zu große Angst zu haben vor möglichen Gefahren. Wir müssen Solidarität zeigen, so dass das Heilige Land nicht nur Erinnerungsstätte mit historischen Stätten, Steinen und Bauten ist, sondern damit hier lebendiges Christentum gegenwärtig ist.

domradio: Was hat sie bei den Begegnungen am meisten bewegt und beeindruckt?
Bischof Gerhard Ludwig Müller: Die tiefe Gläubigkeit der Christen, auch der Altorientalischen und Orthodoxen Kirchen. Es zeigt sich, dass das Christentum auch hier lebendig ist und ein Bewusstsein existiert von der wachsenden Einheit, auf die wir zugehen. Wo nicht etwa die Großen die Keinen schlucken würden, sondern eben alle hineinwachsen mit ihrer gewordenen Tradition in die größere Gemeinschaft. Und wo jeder dann in der umfassenden katholischen Kirche, der ökumenischen, allumfassenden Kirche auch in ihrem Glaubenbekenntnis ihre Heimat finden. Und zwar ohne, dass sie ihre Identität aufgeben müssen. Es geht darum, dass die gewachsene Vielfalt nicht zum Anlass genommen wird, sich gegeneinander zu stellen, sondern zu wechselseitiger Bereicherung und Erbauung führt.

Das Interview führte Monika Weiß.