Merkel erinnert an die erste Kanzlerwahl heute vor 60 Jahren

In Adenauers Gleisen

Nostalgie ist angesagt: Heute begibt sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel auf den Spuren von Konrad Adenauer auf eine Bahnreise voller Symbolik. Im legendären "Rheingold Express" reist die Kanzlerin von Bonn über Koblenz, Frankfurt, Erfurt und Leipzig nach Berlin. Am Startpunkt, in Rhöndorf bei Bonn, dem einstigen Wohnort des ersten Bundeskanzlers, legte sie am Morgen am Grab ihres Vorgängers einen Kranz nieder.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Der Blick zurück ist Kalkül. Denn vor genau 60 Jahren, am 15.
September 1949, wurde Adenauer zum Kanzler des westdeutschen Staates gewählt. Die Botschaft von Merkels Aktion: Damals hat Adenauer den ersten Wahlkampf für die Union gewonnen, das Wirtschaftswunder ermöglicht und eine dauerhafte CDU-Regierung etabliert. Auf diesen Spuren will die Kanzlerin weitergehen.

Adenauer war 73 Jahre alt, als er zum Gründungskanzler gewählt wurde. Mit Zähigkeit und Ellenbogen hatte sich der «Alte von Rhöndorf» zunächst in der eigenen Partei durchgesetzt. Als der Kölner Kardinal Josef Frings ihm Monate zuvor sagte, er werde ihn nun ja bald als Präsident des neuen Staates begrüßen können, antwortete ihm der frühere Kölner Oberbürgermeister mit der ihm typischen Kaltschnäuzigkeit: «Nein, ich habe mir etwas anderes ausgesucht. Ich möchte Bundeskanzler werden, da kann man sich besser entfalten.»

Die erste Bundestagswahl am 14. August 1949 stellte Weichen nach der Katastrophe der Nazi-Zeit: 31 Millionen Wahlberechtigte legten Fundamente für die zweite deutsche Demokratie. Und setzten insgesamt vier Regierungen Adenauer auf das Bonner Gleis. Adenauer oder Kurt Schumacher? Marktwirtschaft oder Planwirtschaft? Das waren die Fragen. Anders als 2009 zeichneten sich klare Alternativen ab.
«Freiheit - Gerechtigkeit - Frieden» und «Millionen Christen wählen CDU» - mit diesen Slogans warb die Union um Stimmen. Die SPD stand «Für Frieden, Freiheit, Sozialismus» und plakatierte: «Alle Millionäre wählen CDU-FDP. Alle übrigen Millionen Deutsche die SPD.»

Die Chancen der SPD, stärkste Partei zu werden, standen gut. Noch am Wahltag sagte die «Neue Zürcher Zeitung» sie als Sieger voraus. Doch dann erzielten CDU/CSU 31,0 Prozent; die SPD kam auf 29,2; FDP/DVP auf 11,9. Eine Fünf-Prozent-Hürde gab es noch nicht. Und so zogen neun Fraktionen in den Bundestag ein, außerdem noch fraktionslose Abgeordnete. Eine schwierige Regierungsbildung.

Vieles sprach für eine Große Koalition. Die Nachkriegsjahre waren geprägt von Elend und Leid, von Trümmern und Hunger und vom Beginn das Kalten Krieges und der deutschen Teilung. Viele Parteifreunde, besonders die CDU/CSU-Ministerpräsidenten, wollten deshalb eine große Koalition. Adenauer selbst hingegen war immer für ein Bündnis mit der FDP. Zu groß schien ihm der Graben zur SPD in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen. Und weder Adenauer noch Schumacher konnten sich vorstellen, ins Kabinett des anderen einzutreten.

Geschickt mobilisierte Adenauer seine Partei-Truppen und legte in Personalfragen Köder für die unterschiedlichsten Strömungen aus.
Eine Woche nach der Wahl lud er CDU-Politiker aus dem ganzen Bundesgebiet und den jungen Franz-Josef Strauß zu einer mythenumwobenen Konferenz nach Rhöndorf ein. Als Gastgeber dominierte er der Runde. Eine taktische Meisterleistung, durch die er ganz unterschiedliche Kräfte hinter sich vereinte: den Wirtschaftsflügel und Gewerkschafter, Katholiken und Protestanten,
Süd- und Norddeutsche. Am 15. September 1949 wählte der Bundestag Adenauer - mit einer Stimme Mehrheit, seiner eigenen - zum Kanzler.

«Et hett noch immer jut jejange», so kommentierte der 73-Jährige die Wahl. In seiner Regierungserklärung begründete er noch einmal, dass der Gegensatz zwischen sozialer Marktwirtschaft und Planwirtschaft eine Koalition mit der SPD unmöglich gemacht habe. Adenauer blieb 14 Jahre Kanzler und tat sich schwer, 1963 mit beinahe 88 Jahren abzutreten. Er stand für soziale Marktwirtschaft, die Aussöhnung mit Frankreich und die Ausrichtung Deutschlands auf den Westen und Europa. Er starb 1967 im Alter von 91 Jahren.