Der Verkauf von Eine-Welt-Produkten in Discountern ist umstritten

Faire Ware in unfairer Hand?

Zwischen Knackwürsten und Dinkelmehl liegen in den Wühl-Ablagen bei Aldi einige bunte Päcken Fairtrade-Kaffee. "One World" (Eine Welt) heißt die neue Kaffeemarke des Discounters, mit der er auf dem Markt der fair gehandelten Produkte in Deutschland einsteigt. Lidl und Penny sind bereits einige Jahren dabei. Verkauft werden Produkte, die mit dem Transfair-Siegel ausgezeichnet sind. Dafür ist Voraussetzung, dass die Erzeuger in Entwicklungsländern höhere Preise erhalten, als sie auf dem Weltmarkt erzielen können.

Autor/in:
Johannes Bentrup
 (DR)

Brigitte Binder vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) in Bonn findet gut, dass faire Produkte nicht nur in Eine-Welt-Läden, Kirchengemeinden, Bio-Geschäften und Supermärkten angeboten werden. «Der Großteil der deutschen Bevölkerung kauft in Discountern ein», sagt die Referentin für Fairen Handel. Daher sollten auch dort die sogenannten Eine-Welt-Produkte erhältlich sein. So könnten möglichst viele Menschen, über faire Arbeitsbedingungen und Löhne informiert und zum Kauf überzeugt werden.

Dass Discounter, die für eine zweifelhafte Behandlung von Mitarbeitern bekannt sind, die ethisch korrekten Produkte anbieten, sei diskussionswürdig, räumt Binder ein. Doch das Fairtrade-Siegel werde nur für die ersten Schritte im Produktionsprozess verliehen; nichts sage es über den Laden aus, in dem der Artikel über den Ladentisch gehe. «Die Zertifizierungskette geht von der Pflanzung bis zur Röstung», sagt die Fairtrade-Expertin. «Wenn der Kaffee in der Tüte ist, ist die Kontrollkette zu Ende.» Kontrolliert werde etwa die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards und ob der festgelegte Mindestpreis und ein Aufschlag für die ländlichen Gemeinschaft bezahlt werde.

Der Verkauf in Discountern sei eine Chance, auf die dortigen Arbeitsbedingungen einzuwirken, betont Binder. Lidl habe durch die Aufnahme der Produkte gezeigt, «sich sozialer Unternehmensverantwortung zu öffnen». Vor etwa drei Jahren ist Lidl mit der Label-Organisation Transfair übereingekommen, bestimmte Produkte im Discounter als fair gehandelt verkaufen zu dürfen, wenn die gängigen Standards eingehalten werden.

Doch mit der Ankündigung Lidls entzündete sich eine heftige Diskussion. Eine-Welt-Läden, politische Gruppen wie das Netzwerk Attac und faire Handelsunternehmen kritisierten scharf, dass Unternehmen ohne ethische Verantwortung, die immerzu billige Preise durchdrücken, diese Waren verkaufen dürfen. Öffentlich bekannt wurde später, dass Lidl Beschäftigte ausspionieren ließ.

Bis heute ist der Rauch nicht verflogen, obwohl laut Branchenverband mittlerweile fast die Hälfte der Fairtrade-Produkte in Supermärkten und Discountern ihre Käufer finden. Insgesamt betrug 2008 das Gesamtvolumen von in Deutschland verkauften fairen Produkten 266 Millionen Euro.

Der Geschäftsführer des Handelshauses Gepa in Wuppertal, Thomas Speck, sieht durch den Einstieg der Discounter das Ansehen des Fairen Handels in Gefahr. Dabei sei Glaubwürdigkeit im Fairen Handel «das A und O». Faire Produkte würden zu beliebig für die Kunden, wenn sie überall erhältlich seien.

Nach einigen Jahren der Angebote in Billig-Läden hat seiner Überzeugung nach die Reputation der fairen Produkte einige Kratzer abbekommen. Vom positiven Image der Fairtrade-Produkte profitierten vor allem die Discounter. Langfristig könnten sie sogar in der Lage sein, auf ein Verwässern der Standards des hoch angesehen und wichtigen Transfair-Siegels hinzuwirken, warnt Speck. Niedrigere Preise für die Bauern und Handwerker in Entwicklungsländern wären die Folge. «Die Marktdynamik kann viel verändern».