Bischöfe betonen das Recht von Muslimen auf Religionswechsel - Bischof Wanke im Interview

Gefahren für Leib und Leben

Die katholischen deutschen Bischöfe haben das Recht von Muslimen zum Religionswechsel betont. Wenn sich ein Kandidat mit muslimischem Hintergrund zur christlichen Taufe entscheide, sei dies Ausdruck einer freien Gewissensentscheidung und müsse respektiert werden, heißt es in einer am Montag in Bonn vorgelegten Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz. Sie trägt den Titel "Christus aus Liebe verkündigen. Zur Begleitung von Taufbewerbern mit muslimischem Hintergrund".

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Der Fall erregte international Aufsehen: In der Osternacht 2008 taufte Papst Benedikt XVI. im Petersdom neben sechs anderen Erwachsenen den konvertierten Muslim Magdi Allam. Westliche Medien diskutierten, Islamgelehrte in verschiedenen Ländern sprachen von einer Provokation, einer «triumphalistischen Choreographie».

Eineinhalb Jahre später äußern sich die katholischen deutschen Bischöfe zur Frage der Taufe von ehedem muslimischen Taufbewerbern und machen dabei - so offen wie nie - deutlich, dass solche Feiern in Deutschland keine Einzelfälle sind. Sie sprechen von einer «Bewegung vom Islam hin zum Christentum», die in den Medien bislang weniger registriert werde als der umgekehrte Religionswechsel christlicher Deutscher zum Islam. Und die Bischöfe betonen, dass das Recht auf Religionswechsel auch für Muslime gelte.

Rund 500 Taufbewerber im Jahr
Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz, die die 27 Diözesen und Erzdiözesen um statistische Angaben bat, lag die Zahl der Taufbewerber mit muslimischem Hintergrund im Jahr 2007 bundesweit bei rund 150 - das sind gut vier Prozent der rund 3.500 Erwachsenentaufen. Hinzu komme aber noch eine «Dunkelziffer». Das passt zu den Schätzungen von Fachleuten beider Kirchen. Sie gehen von jährlich rund 200 Fällen auf katholischer und 300 auf protestantischer und freikirchlicher Seite aus. Vielfach waren die Bewerber zuvor Aleviten, oft stammen sie aus der Türkei, vom Balkan, den GUS-Staaten.

Die «Dunkelziffer» mag auch damit zusammenhängen, dass der ein oder andere Bewerber eine Taufe in Stille vorzieht. Schließlich können, wie die Bischöfe betonen, den Konvertiten aus diesem Schritt auch in Deutschland «Gefahren für Leib und Leben erwachsen». Selbst «aufgeklärte, scheinbar assimilierte Familien» reagierten mitunter schroff und ablehnend.

Thema ist nicht neu
Dass die Bischöfe das sensible Thema jetzt auf rund 70 Seiten umfassend thematisieren, ist kein Zeichen stärkerer Abgrenzung.
Schon vor sechs Jahren kam der Umgang mit Taufbewerbern mit muslimischem Hintergrund in einer Arbeitshilfe «Christen und Muslime in Deutschland» auf knapp zehn Seiten zur Sprache. Und das «Lexikon für Theologie und Kirche», das führende Handbuch im katholischen Bereich, behandelt die Frage im Stichwort «Islam» seit weit mehr als zehn Jahren.

Eher fällt in der Broschüre, die auch vier Taufbewerber anonym zu Wort kommen lässt, die seelsorgliche Ausrichtung auf. So mahnen die Bischöfe zu einer «zeitlich nicht zu kurz bemessenen, intensiven Vorbereitung». Seelsorgerliche Begleiter bräuchten Kenntnisse des Islam und der Mentalitäten von Muslimen. Und die Arbeitshilfe verweist auf die hohe Bedeutung von gemeinsamen Vorbereitungsgruppen, von Paten, menschlichen Beziehungen und sozialen Netzwerken. Die Taufe eines ehemaligen Muslim obliegt übrigens, wie jede Erwachsenentaufe, dem jeweiligen Bischof, der sie allerdings delegieren kann.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Dabei stellt das Dokument ausführlich grundlegende Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Glaubensverständnis von Muslimen und Christen dar. Trennendes findet sich vor allem beim Ein-Gott-Glauben und der christlichen Dreifaltigkeitslehre, bei der Gestalt Jesu Christi (der im Koran lediglich ein Prophet ist) und Mariens, beim Offenbarungsverständnis und der Existenz von Sakramenten, die für Christen Orte der Christus- und damit der Gottesbegegnung sind.

Ausführlich zitiert der Vorsitzende der bischöflichen Pastoralkommission, der Erfurter Oberhirte Joachim Wanke, in seinem Vorwort die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur Religionsfreiheit, «Dignitatis humanae": «Niemandem darf ein religiöses Bekenntnis aufgedrängt und keiner darf daran gehindert werden, sich einer religiösen Gemeinschaft anzuschließen beziehungsweise diese zu verlassen.» Schließlich, so Wanke, gehöre es zum Wesen der Kirche, jedem Auskunft zu geben, der aus freien Stücken den christlichen Glauben kennenlernen und schließlich annehmen wolle. Das bringt auch der Titel der Arbeitshilfe zum Ausdruck: «Christus aus Liebe verkündigen».