Die katholische Ordensfrau Ruth Pfau wird mit dem "Bambi" geehrt

Eine stille Heldin

"Als Ruth Pfau die Bühne betritt, schweigt der Saal", beschreibt "Die Welt" den Moment der Bambi-Verleihung an die katholische Ordensschwester. Seit mehr als 50 Jahren hilft sie in Pakistan, wo sie liebevoll "Mutter der Leprakranken" genannt wird. Von Ruhestand will die 83-Jährige dennoch nichts wissen.

 (DR)

Trotz einiger Altersbeschwerden setzt die aus Leipzig stammende Ordensfrau ihren Kampf gegen Lepra, Tuberkulose und Augenerkrankungen in dem islamischen Land fort.  Dabei gab es auch Rückschläge zuletzt: Das große Erdbeben von 2005, das fast 100.000 Pakistanis in den Tod riss, hatte auch rund 30 der 170 Gesundheitsstationen zerstört, die Pfau zusammen mit den Behörden in Pakistan betreibt. Laboreinrichtungen, Mikroskope und Pflegematerial wurden zerstört. Doch Pfau ließ sich nicht deprimieren, inzwischen ist alles wieder aufgebaut.



Auch die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Taliban und pakistanischen Truppen im Norden haben die medizinische Versorgung der Menschen erschwert: Millionen auf der Flucht - das könnte auch Krankheiten wie Lepra einen neuen Schub geben, fürchtet die Ärztin.



Geboren 1929 in Leipzig, kam Ruth Pfau nach Kriegsende nach Westdeutschland und studierte Medizin. Mit 22 ließ sie sich evangelisch taufen, trat aber wenig später zum Katholizismus über. Während ihrer ärztlichen Weiterbildung in Bonn kam der nächste große Wendepunkt. "Das kann doch nicht alles sein: Geld verdienen - Auto kaufen - mehr Geld verdienen - anderes Auto kaufen." 1957 trat sie in den Orden der "Töchter vom Herzen Mariä" ein: Die Ordensschwestern wirken ohne Klausur und Tracht - mitten im Leben. 1960 begann Pfau ihre Arbeit als Lepraärztin in den Elendsquartieren von Karachi.



Arbeit für die Würde des Kranken

Dort hatte die Ordensfrau ein weiteres Schlüsselerlebnis: "Hassan kroch auf Händen und Füßen in den Bretterverschlag, auf allen Vieren, wie ein Hund", erinnerte sich Pfau 2009 aus Anlass ihres 90. Geburtstags. Er und die Mitpatienten hätten dies gleichgültig hingenommen. "Dieses Ja zur Entwürdigung hat mich fast betäubt", sagt Pfau. Von da an stand für die Ärztin fest: Sie wollte ihr Leben in den Dienst der Leprakranken stellen.



Bald zog ihre Lepra-Station aus dem Slum ins Zentrum von Karachi. Das heute weltweit angesehene "Marie Adelaide Leprosy Centre" ist vor allem ihr Werk. Die Klinik wurde der Ausgangspunkt für den Aufbau eines dichten Netzes von Ambulanzen in ganz Pakistan. Mehrere Hundert Helfer tragen derzeit dazu bei, die Lepra, Augenkrankheiten oder Tuberkulose bis ins kleinste Dorf zu bekämpfen. Hinzu kamen nach und nach all die Maßnahmen, die verhindern, dass die Hilfe ein Tropfen auf den heißen Stein bleibt: Gesundheitserziehung, Vorsorge, Eingliederung Geheilter. "Ich bin nicht hierher gekommen, um Bakterien abzutöten und Tabletten zu verteilen", beschreibt Pfau ihr Engagement. "Ich werde diese Menschen erst aus meiner Patientenkartei streichen, wenn sie auch wieder so leben können wie jeder andere Mensch."



Trägerin höchster Orden

Längst ist die Ordensfrau Trägerin höchster deutscher und pakistanischer Orden. Die Regierung des islamischen Landes ernannte sie 1980 zur Beraterin für das Lepra- und Tuberkulose-Kontrollprogramm und gab ihr damit den Status einer Staatssekretärin. Auch die einfachen Menschen sind ihr dankbar: In Karachi haben die Bewohner des Slumviertels Malir ihr zu Ehren den kleinen "Ruth-Pfau-Park" angelegt.



Völlig wird sich die Lepra nicht besiegen lassen. Doch immerhin ist die Zahl der Neuerkrankungen in Pakistan pro Jahr auf rund 440 zurückgegangen. Mittlerweile seien die Menschen so weit, dass sie Erkrankte von sich aus in die Gesundheitszentren schickten, berichtet sie stolz. So sei eine Behandlung im Frühstadium gesichert. "Wenn wir im Kampf gegen die Lepra heute nachlassen", so unterstreicht sie, "wird die Seuche morgen zurückkehren."



"Bambi" in der Kategorie "Stille Helden"

Bei der Bambi-Verleihung in Düsseldorf am Donnerstagabend (22.11.2012) gab es stehende Ovationen für Ruth Pfau, die in der Kategorie Stille Helden den Preis gewann. Die 83-Jährige nutzte den Moment und sprach in ihrer Ansprache den anwesenden Promis ins Gewissen.



"Sie wissen sicher, dass ihre Welt nicht meine Welt ist", sagte Pfau. Wenn sie aber nun in diese Promi-Welt gelassen werde, würden gleichzeitig die 58 Prozent der Menschen in Pakistan, die hungern, in diese Welt geholt. Sie hoffe nun, dass durch ihren Auftritt etwas entstehe und "wenigstens ein wenig" in der Not geholfen werde.