Regierungserklärung zur Afghanistan-Debatte ohne neue Erkenntnisse

Trauer um jeden einzelnen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine lückenlose Aufklärung des Luftangriffs auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan zugesichert. Zugleich drückte sie in einer Regierungserklärung am Dienstag im Bundestag ihr Bedauern über mögliche zivile Opfer aus. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verteidigte erneut das Vorgehen der Bundeswehr, die den Luftschlag angefordert hatte. Oppositionspolitiker rügten derweil die Informationspolitik des Verteidigungsministers.

 (DR)

Die genaue Zahl der Opfer bei dem Angriff am Freitag ist weiter unklar. Das Verteidigungsministerium spricht bislang von 56 Toten, nach anderen Schätzungen könnten es aber weitaus mehr sein. Die NATO geht mittlerweile davon aus, dass darunter auch zivile Opfer waren.

Merkel sagte im Bundestag, jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch sei einer zuviel: «Wir trauern um jeden einzelnen.» Sie stehe persönlich dafür ein, dass bei der Aufklärung des Vorfalls «nichts beschönigt» werde. Die Kanzlerin betonte aber auch, dass die genaue Zahl der Opfer noch nicht geklärt sei und verwahrte sich gegen Vorverurteilungen aus dem In- und Ausland. Sie verteidigte den Einsatz in Afghanistan und erinnerte daran, dass von der Region eine terroristische Bedrohung in alle Welt ausgehe.

Verteidigungsminister Jung forderte, die Untersuchungen zu dem Vorfall abzuwarten. Erneut verteidigte er die Entscheidung der Bundeswehr, NATO-Flugzeuge anzufordern, um die beiden Tanklastwagen zu bombardieren. «Wir hatten eine konkrete Bedrohungslage für unser Lager in Kundus.» Mit den beiden Lastzügen hätte enormer Schaden angerichtet werden können. Bei der Entscheidung habe es sich um einen «schwierigen Abwägungsprozess» gehandelt.

Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle bescheinigte Merkel, sie habe «für Deutschland gesprochen». Das ganze Land trage die Verantwortung, wenn Fehler gemacht worden seien. Westerwelle erinnerte daran, dass alle Parteien außer der Linkspartei den Afghanistan-Einsatz unterstützen. Er kritisierte aber die bisherige Informationspolitik des Verteidigungsministeriums als «verwirrend».

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer Debatte um einen schnellen Abzug aus Afghanistan. «Wir sind dort nicht kopflos hineingegangen und wir dürfen nicht kopflos hinaus», sagte er. Mit der afghanischen Regierung stünden nun konkrete Absprachen an, in welchem Umfang Polizei und Armee aufgebaut werden müssten. Dies sei Voraussetzung für einen Rückzug der internationalen Truppen, sagte Steinmeier. Die Afghanen müssten in die Lage versetzt werden, selbst die Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, forderte abermals einen sofortigen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan. Er warf der Regierung vor, durch den Einsatz sei das Land nicht sicherer, sondern unsicherer geworden.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Trittin, nannte die bisherige Informationspolitik der Regierung ein «Desaster». Er sprach von einem «Einschnitt» durch den von der Bundeswehr veranlassten Bombenangriff auf die von Taliban gekaperten Tanklastzüge am vergangenen Freitag. Deutschland sei zu einer falschen Strategie übergegangen, indem zivile Opfer in Kauf genommen worden seien, kritisierte Trittin.