Erzbischof Zollitsch zieht positive Bilanz seiner Afrika-Reise

"Von Nigeria können wir noch einiges lernen"

Zehn Tage lang hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mit einer kirchlichen Delegation Nigeria bereist - ein Land, das zuletzt erneut durch interreligiöse Gewalt in die Schlagzeilen gekommen ist. Vor dem Rückflug nach Deutschland am Freitag zog der Freiburger Erzbischof eine Bilanz seiner Eindrücke und Begegnungen aus Westafrika.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Erzbischof Robert Zollitsch in Nigeria: Hier mit einem Jugendlichen in Kaduna (KNA)
Erzbischof Robert Zollitsch in Nigeria: Hier mit einem Jugendlichen in Kaduna / ( KNA )

KNA: Herr Erzbischof, Sie haben über eine Woche lang Nigeria bereist, das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Was war Ihre prägendste Erfahrung?
Zollitsch: Wir sind tatsächlich quer durch das ganze Land gefahren und haben dabei alle möglichen Landschaften gesehen: Urwald, Savanne, ein Hochplateau auf über 1.000 Meter Höhe. Das war für mich sehr beeindruckend. Noch beeindruckender aber war die Herzlichkeit und Freundlichkeit, mit der wir hier überall aufgenommen worden sind. Und es wurde auch durchaus wahrgenommen, dass meine erste Afrika-Reise gerade hier nach Nigeria geführt hat.

KNA: Wie würden Sie die Kirche Ihres Gastlandes beschreiben?
Zollitsch: Ich habe eine sehr lebendige, junge Ortskirche angetroffen. Da werden regelrechte Glaubensfeste gefeiert. Und wohin wir kamen, wurde auch das positive Wirken der Kirche als eine "Säule der Gesellschaft" gewürdigt; das Wirken der Hilfswerke missio und Misereor etwa. Die Kirche trägt hier stark dazu bei, Brücken zu bauen. Sie leistet Häftlingen im Gefängnis Rechtsbeistand; sie stellt Wahlbeobachter oder verfolgt mit der Kommission Justitia et Pax das Ziel sozialer Gerechtigkeit im Land. Eines meiner Anliegen war auch, für Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht einzutreten, so dass alle Religionsgemeinschaften gemeinsam Brücken der Versöhnung bauen können. Und wir sind hier auch tatsächlich auf sehr bereite Gesprächspartner getroffen.

KNA: Wie nah sind Sie der Gewalt im muslimisch geprägten Norden gekommen, die zuletzt bis zu 600 Menschenleben gefordert hat?
Zollitsch: Unterwegs haben wir an den Straßen viele Moscheen gesehen, die noch im Bau waren. Die engste Begegnung mit dem Islam hatten wir in Jos im Herzen des Landes, wo der Emir und der Erzbischof der Stadt angesichts eines politischen Konflikts gemeinsam dazu aufriefen, die Zukunft von Christen und Muslimen in Frieden und Gerechtigkeit zu gestalten. Ganz spontan war ich von den Muslimen und dem Erzbischof eingeladen worden, sie beim Kondolenzbesuch für den gerade verstorbenen Imam der Großmoschee von Jos zu begleiten. Auch das gehört für mich zu den eindrucksvollen Begegnungen.

KNA: Etwa die Hälfte der Nigerianer sind Muslime, 40 Prozent Christen. In den vergangenen Jahren haben Islamismus-Tendenzen stark zugenommen. Im Norden gibt es häufig Unruhen und sogar Anschläge auf Kirchen. Wie steht es derzeit um den Dialog zwischen Christen und Muslimen?
Zollitsch: Das Problem ist, dass es sich keineswegs um eine religiöse Gegnerschaft von Christen und Muslimen handelt. Hinter den Konflikten stehen vielmehr politische Gegner, die versuchen, die Religionen zum Zündeln zu missbrauchen und ein Feuer zu schüren. Der Dialog ist eine ganz entscheidende Aufgabe für uns. Muslime wie Christen müssen sich darauf einlassen, einander vertrauen, um solche Instrumentalisierungen zu vermeiden.

Gerade in der Mitte des Landes ist eine starke Berührungszone zwischen den Ethnien, wo solche Funken des Konflikts entstehen können - etwa wenn bisherige Halbnomaden auf Siedlungsgebiete vordringen, um sich niederzulassen. In Kaduna haben wir einen Stadtteil besucht, wo der katholische Pfarrer umgebracht, sein Haus niedergebrannt und die Kirche zerstört wurde. Wir haben dort gebetet und ein Zeichen für Versöhnung gesetzt. Die Erinnerung an solche schrecklichen Vorgänge ist wichtig - aber noch wichtiger ist der Blick nach vorn. So viele Menschen hier wünschen sich eine gemeinsame Zukunft von Christen und Muslimen. Es wäre eine Katastrophe für alle Völker, die hier leben, wenn das Land auseinanderbrechen würde.

KNA: Wenn Sie die Erfahrungen Ihrer Reise in einer Handlungsanweisung für uns Deutsche zusammenfassen sollten: Wie würde die lauten?
Zollitsch: Wir sollen Interesse an Afrika zeigen. Wir müssen konkrete Unterstützung leisten, etwa über unsere kirchlichen Hilfswerke und über die Konrad-Adenauer-Stiftung. Und wir müssen alles tun, um die Menschen hier zum Dialog zu ermutigen. Von der Glaubensfreude in Nigeria können wir in Deutschland noch einiges lernen.

KNA: Erstmals haben Sie von einer solchen Auslandsreise einen Internet-Blog geschaltet. Wie fühlen Sie sich mit dieser neuen Art der Mitteilung?
Zollitsch: Ich wollte möglichst viele an meinen reichen Erfahrungen hier in Nigeria teilhaben lassen. Und ich glaube, das ist auch angenommen worden und geglückt. Damit steht uns ein Medium zur Verfügung, das wir nutzen sollten. Es ist der erste Blog der Bischofskonferenz - ein innovativer Schritt. Und es wird auch nicht der letzte sein.