Deutsche und Polen erinnern an Beginn des Zweiten Weltkrieges

Gottesdienste und Gedenkfeiern

Mit Gottesdiensten und Feierlichkeiten in Deutschland und Polen wurde heute an den Beginn des deutschen Überfalls vor 70 Jahren gedacht. Der Hamburger katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke rief bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst Polen zur Beteiligung an dem in Berlin geplanten "Zentrum gegen Vertreibungen" auf. Bei seinem Nigeria-Besuch stellte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, heraus, dass der Krieg nicht nur Europa, sondern auch den afrikanischen Kontinent verändert habe.

 (DR)

Der Weihbischof äußerte sich bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst zu "70 Jahre deutscher Überfall auf Polen" mit Bischöfin Maria Jepsen und Hauptpastor Johann Hinrich Claussen in der Ruine der Nikolaikirche.

Er wünsche sich, dass die Polen die begonnene Arbeit an dem Gedenkprojekt unterstützten. "Das soll ein gutes Zeichen sein." Das neue Europa bedeute besonders für Deutsche und Polen ein Glück, erklärte Jaschke weiter. Gerade diese beiden Völker wüssten, dass die Europäische Union nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern einen Raum der versöhnten Verschiedenheit für die vielen Völker und Kulturen bilden müsse, so Jaschke. Die Gedenkfeier wurde vom Polnischen Generalkonsulat und dem Förderkreis "Rettet die Nikolaikirche" organisiert.

Huber: Erschrecken und die Scham
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, erinnerte im schlesischen Jawor (Jauer) an die Millionen Opfer und Toten des Zweiten Weltkriegs in Polen. Ausgangspunkt aller Erinnerung sei das «Erschrecken und die Scham über die von Deutschen verübte Gewalt und die Solidarität mit ihren Opfern», sagte Huber am Nachmittag bei einem ökumenischen Gottesdienst in der evangelischen Friedenskirche von Jawor.

Allerdings reichten Erschrecken, Scham und Erinnerung nicht aus, um den Krieg zu überwinden und Frieden zu erreichen. Dazu brauche es einen «Schritt zum Neuanfang», den nach dem Krieg viele Menschen gegangen seien. Huber mahnte, am Jahrestag des Kriegsbeginns auch der zahlreichen «mutigen Zeichen für Frieden und Versöhnung» zu gedenken, die nach der Wende vor 20 Jahren ihre Wirkung hätten entfalten können, jedoch schon lange vorher begonnen hätten.

Forderungen und Appelle zum Antikriegstag
Zum Antikriegstag am Dienstag haben Friedensorganisationen und weitere Kirchenvertreter zum Engagement für eine gewaltfreie Welt aufgerufen. Die katholische Friedensbewegung Pax Christi forderte die Bundesregierung aus diesem Anlass auf, dem US-Deserteur Andre Shepherd Asyl zu gewähren. Der als Hubschraubermechaniker im Irak eingesetzte Soldat stelle sich «gegen eine Kriegs- und Besatzungspolitik, die im Namen des 'Krieges gegen den Terror' zu großem Leid, Zerstörungen und Hunderttausenden von Toten geführt hat», teilte die Organisation am Montag in Berlin mit.

Pax Christi hatte anlässlich des Antikriegstags zusammen mit weiteren Friedensorganisationen einen Aufruf für Shepherd veröffentlicht, der nach seiner Desertion aus der US-Armee im November 2008 in Deutschland Asyl beantragt hatte. Der Amerikaner habe sich dabei auf eine EU-Richtlinie bezogen, die Schutz für verfolgte Fahnenflüchtige festschreibe, erläuterte Pax Christi. - Der Antikriegstag erinnert an den Anfang des Zweiten Weltkriegs, der am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begann.

In Bonn forderte das «Netzwerk Friedenskooperative» zu dem Gedenktag ein Konzept für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Für humanitäre Projekte und Aufbauhilfe sei die Bundeswehr «die denkbar schlechteste Truppe». Sie sei inzwischen nur noch mit dem eigenen Schutz beschäftigt und müsse deshalb «sinnvollen zivilen Unterstützungsprojekten» Platz machen, die im Einklang mit den Wünschen der afghanischen Bevölkerung stünden.

Die Kooperative bezeichnete das Bundeswehr-Engagement als «Kriegseinsatz». Dieser sei «grandios gescheitert» und habe keines der gesetzten Ziele wie Sicherheit, Entwicklung und Demokratisierung erreicht. Zum Antikriegstag plant die Friedensbewegung nach eigenen Angaben zusammen mit Gewerkschaften mehr als 200 Veranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Daneben werde mit Mahnwachen, Ausstellungen und Kundgebungen des Holocausts an den europäischen Juden gedacht.

Zu unbedingtem Friedenswillen und Respekt vor der Würde jedes Menschen rief der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgarter, Gebhard Fürst, mit Blick auf den Antikriegstag auf. Dies sei umso dringender, je mehr Intoleranz und Rassismus wieder politischen und gesellschaftlichen Boden zu gewinnen versuchten und Gewalt unter Kindern und Jugendlichen wie selbstverständlich hingenommen werde, betonte Fürst in Rottenburg. Der Bischof mahnte zur Trauer über die Abermillionen Toten, die dem verbrecherischen Angriffskrieg Hitler-Deutschlands zum Opfer gefallen seien.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, forderte, den Ruf «Nieder wieder Krieg!» ernst zu nehmen. Der Gedenk- und Denktag sollte genutzt werden, um über die Gründe von Kriegen nachzudenken. Diese würden von Menschen verursacht und geführt. Er mahnte zu Versöhnungsbereitschaft und guten nachbarschaftlichen und internationalen Beziehungen.

Polen erinnert an 70. Jahrestag des deutschen Überfalls
In Polen wurden auf der Westerplatte bei Danzig die Feierlichkeiten am frühen Morgen mit dem Heulen der Hafensirenen eröffnet. Vor dem Denkmal der Verteidiger des polnischen Munitionsdepots auf der Westerplatte hob Präsident Lech Kaczynski die historische Schuld der Angreifer hervor: "Nicht Polen soll sich in Demut üben, sondern die, die zu dem Angriff führten."

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk warnte vor einem Vergessen und einer Fälschung der Geschichte. Ohne aufrichtiges Gedenken würden Polen, Europa und die Welt nie sicher sein, sagte der Regierungschef. Die Schüsse des deutschen Schulschiffs "Schleswig-Holstein" auf das Munitionsdepot auf der Halbinsel Westerplatte vor Danzig am 1. September 1939 um 4.45 Uhr gelten als Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Kaczynski kritisierte auch den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und den Einmarsch der Sowjetunion im Osten Polens, der am 17. September dem deutschen Angriff im Westen folgte. Zudem verglich er die Ermordung Tausender polnischer Offiziere in Katyn durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD mit dem Holocaust. Die Erschießung der polnischen Offiziere im Jahr 1940 belastet bis heute die polnisch-russischen Beziehungen.

Unter den Teilnehmern der Gedenkfeierlichkeiten in Danzig befand sich auch der polnische Kriegsveteran Ignacy Skowron. Er ist der einzige der drei noch lebenden Verteidiger der Westerplatte, der an der Zeremonie teilnehmen konnte. Nach jüngsten Berechnungen des polnischen Instituts für Nationales Gedenken (IPN) starben im Zweiten Weltkrieg 5,5 bis 5,8 Millionen Einwohner des Landes.

Merkel betont freundschaftliches Verhältnis
Die Hauptzeremonie der Gedenkfeiern, zu der zahlreiche ausländische Regierungschefs eingeladen sind, fand am Nachmittag statt. Bei der Zeremonie sind Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin geplant.

Merkel hob zuvor das freundschaftliche Verhältnis zu Polen hervor. Der deutsch-polnische Jugendaustausch, Regierungskonsultationen und weitere Aktivitäten hätten "zu einer Vertrauensbildung" geführt "nach den zum Teil auch schwierigen Zeiten" in der Vergangenheit, sagte Merkel in einem am Dienstag ausgestrahlten Gespräch mit dem ARD-Morgenmagazin.