Katholische Kirche blickt mit Sorge auf Wahlbeteiligung und sieht keinen Links- oder Rechtsruck

"Bei der Bewertung muss man nüchtern bleiben"

Nach den Kommunalwahlen und Landtagswahlen vom Sonntag hat Prälat Karl Jüsten ein überwiegend positives Fazit gezogen. Weder könne er einen ein Links- noch ein Rechtsruck feststellen, so der Leiter des Katholischen Büros in Berlin. "Bei der Bewertung muss man nüchtern bleiben." Im domradio-Interview blickt er mit Sorge auf die niedrige Wahlbeteiligung und kündigt eine Nachricht der Bischöfe zu dem Thema vor der Bundestagswahl an.

 (DR)

domradio: Wie beurteilen sie  die Wahlergebnisse - auch in Hinblick auf die Bundestagswahl?
Jüsten: Zur Demokratie gehört, dass Wahlen Wechsel nach sich ziehen. Von daher habe ich zunächst einmal ein gutes Gefühl, weil die Demokratie sich wieder einmal bewährt hat. Ein etwas schummriges Gefühl habe ich allerdings in Hinblick auf die Wahlbeteiligung. Die ist insgesamt deutlich zurückgegangen und pendelt sich auf einem sehr niedrigen Niveau ein. Vor allem in den neuen Bundesländern. Was uns als Demokraten dann doch mit Sorge erfüllt. Deshalb werden bei dem Wahlwort der Deutschen Bischöfe die Bischöfe auch besonders darauf hinweisen, dass bei der Bundestagswahl alle von ihrem Wahlrecht gebrauch machen sollen.

domradio: Die politische Landkarte ist deutlich bunter geworden. Die gewohnte Drei- bis Vierparteien-Landschaft gibt es nicht mehr. Die Partei die Linke ist auch im Westen jetzt mit über 20 Prozent in einem Landeskabinett vertreten. Im Bundesrat gibt es keine schwarz-gelbe Mehrheit mehr. Wird das Einbringen von christlichen Positionen in den gesellschaftlichen Dialog zukünftig schwieriger?
Jüsten: Zunächst einmal muss man bei dem Wahlergebnis noch mal genauer hinschauen. Das Saarland ist nicht eines der größten Bundesländer. Und da 20 Prozent zu erringen, bedeutet auf Bundesebene noch nicht so sehr viel. Dass sich in den neuen Bundesländern die Linkspartei fest etabliert hat, ist auch einer historischen Tatsache geschuldet. Im Rheinland und in Westfalen ist die Linkspartei bei den Kommunalwahlen unter fünf Prozent geblieben. Deshalb, denke ich: bei der Bewertung des Wahlergebnisses muss man nüchtern bleiben. Erfreulich ist, dass die Rechten mehr oder weniger eine zu vernachlässigende Größe sind. Außer in Sachsen, das ist sehr beunruhigend, dass die da noch mal fünf Prozent geschafft haben. Etwas, wo wir als Christen und Kirchen besonders hinschauen müssen. Ansonsten schauen wir uns als Kirchen ja immer die Wahlprogramme der jeweiligen Parteien an und bewerten sie und was dann in den Parlamenten geschieht unter dem Gesichtspunkt, ob das dem entspricht, was wir auch wollen. Und da entdecken wir bei verschiedenen Parteien zu unterschiedlichen Themen größere Übereinstimmungen - und hin und wieder größere Divergenzen. Das hat sich auch bewährt, dass wir nicht mehr nur in einer Partei unsere Ansprechpartner finden, sondern dass wir schauen, mit welchen Themen wir am besten bei wem landen können.

domradio: Ist die CDU nicht mehr die Partei die da Christliche garantiert?
Jüsten: Sie ist sicher nicht mehr die Partei, die fraglos aus dem katholischen Milieu kommend Politik gestaltet. Auch das hat sich schon etwas länger aufgelöst. Es ist nicht mehr so, dass engagierte Katholiken nur bei der CDU zu finden sind. Die gibt es auch bei anderen Parteien. Und dass sich das auch möglicherweise im Wahlergebnis niederschlagen wird, müssen wir zur Kenntnis nehmen.

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