Kanzlerin Merkel fordert Israel zum Siedlungsstopp auf

Zwei-Staaten-Lösung der "einzige Weg"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Israel zum Siedlungsstopp im Westjordanland aufgefordert. Die Wiederaufnahme der Friedensgespräche im Nahen Osten standen am Donnerstag im Mittelpunkt des zweitägigen Besuchs von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Berlin. Die katholische Friedensbewegung pax christi forderte im Anschluss, der israelischen Regierung müsse "mehr abgerungen" werden als ein Siedlungsstopp.

 (DR)

Merkel sagte nach dem Treffen mit Netanjahu, sie habe «betont, dass in der Frage des Neubaus von Siedlungen ein wesentlicher Punkt liegt, die Verhandlungen voranzubringen». Auch von palästinensischer Seite müssten dann «Leistungen erbracht» werden. Es gebe derzeit «gute historische Möglichkeiten», beim Friedensprozess in Nahost voranzukommen. Dabei sei die Zwei-Staaten-Lösung der «einzige Weg». Die Kanzlerin kündigte an, Deutschland werde auf dem Weg dahin eine konstruktive, wenn notwendig auch ein wenig «anfeuernde Hilfe» leisten.

Zuvor hatte auch Steinmeier bei einem Gespräch mit Israels Premierminister nach Angaben seines Ministeriums die Bedeutung des Wiedereinstiegs in substanzielle israelisch-palästinensische Verhandlungen hervorgehoben und betont, beide Seiten müssten in diesem Zusammenhang konkrete Schritte unternehmen.

pax christi: Reicht nicht aus
Die katholische Friedensbewegung pax christi begrüßte auf Anfrage von domradio.de die Bestärkung der "wichtigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland",  wies aber darauf hin, dass "auf der Basis der freundschaftlichen Beziehungen der israelischen Regierung mehr abgerungen werden" müsse, als ein Stopp von Siedlungsneubauten, da die Siedlungen im Westjordanland insgesamt völkerrechtswidrig errichtet seien. Zudem müsse die Blockade des Gazastreifens umgehend beendet werden.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), fordert weitergehende Zugeständnisse Israels: «Israel betont stets, dass Deutschland nach den USA der wichtigste Freund und Verbündete ist. Aus dieser Freundschaft erwächst aber auch eine besondere Verpflichtung und Verantwortung», sagte Polenz der «Münsterschen Zeitung». Allein eine Zwei-Staaten-Lösung könne die Grundlage für eine friedliche Entwicklung sein.

Jede Fortsetzung der Siedlungspolitik in und um Ostjerusalem, aber auch in der Westbank sei ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden. «Wir brauchen ein komplettes Moratorium des Siedlungsbaus. Es dürfen keine weiteren Häuser mehr gebaut werden. Die bisherige Siedlungspolitik und der Versuch, Ost-Jerusalem von der Westbank zu trennen, sind außerordentlich gefährlich», sagte Polenz.

Die Chancen für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses hält Polenz nicht für schlecht. «Es ist ein wichtiges Signal, dass Israels Premier in Berlin die gleichen Botschaften erhalten hat wie zuvor in London oder Washington. Es gibt jetzt ein offenes Zeitfenster für einen positiven Friedensprozess."

Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen
Netanjahu dementierte seinerseits Meldungen, wonach Israel schon «Entscheidungen» zum Siedlungsstopp getroffen habe. Er hielt jedoch eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen in einem oder zwei Monaten für möglich. Allerdings bekräftigte Netanjahu seine Forderung nach einem entmilitarisierten palästinensischen Staat, der Israel als Staat der Juden anerkenne.

Der israelische Premierminister forderte die internationale Staatengemeinschaft außerdem auf, der Bedrohung aus dem Iran für «Israel und den Weltfrieden» entgegenzutreten. Merkel verwies auf einen Beschluss des G8-Gipfels der sieben führenden Industrienationen und Russlands im Juli in Italien, wonach der Iran im Bezug auf sein Atomprogramm einer diplomatischen Lösung bis Ende September zustimmen muss. Sollte dies nicht geschehen, werde man über härtere Sanktionen sprechen, kündigte die Kanzlerin an.

Netanjahu war bereits am Mittwoch in Berlin eingetroffen. Nach seiner Ankunft wurde er im Schloss Bellevue von Bundespräsident Horst Köhler empfangen. Wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen wurden zahlreiche Straßen in der Hauptstadt gesperrt.

Übergabe der Auschwitz-Pläne
Nach dem Gespräch mit Steinmeier besuchte Netanjahu am Donnerstagvormittag das Axel-Springer-Haus. Dort übergab ihm «Bild»-Chefredakteur Kai Diekmann Originalpläne des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Der israelische Regierungschef würdigte die Dokumente als «Geschenk der Wahrheit» und betonte, die wichtigste Lehre aus dem Holocaust sei, dass die Kräfte der Freiheit sich rechtzeitig verteidigen müssten. Das gelte damals wie heute gegenüber jenen, die die Zerstörung des jüdischen Staates proklamieren. Nach dem Treffen mit Merkel hob Netanjahu hervor, der Unterschied zu damals sei, das Israel sich heute selbst verteidigen könne.

Zum Abschluss des Berlin-Besuchs stand die Besichtigung der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz auf dem Programm, wo am 20. Januar 1942 führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes über die systematische Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden berieten. Der Holocaust hatte hier seinen Ausgangspunkt.