Deutsch-polnisches Bischofspapier wird nicht uneingeschränkt begrüßt

"Unrecht" oder "krzywda"?

Die Erklärung der katholischen Bischöfe Deutschlands und Polens zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns wird überwiegend positiv bewertet. Union und SPD nennen das Dokument richtungsweisend. Allerdings gibt es auch Streit über die Wortwahl im Zusammenhang mit der Vertreibung der Deutschen aus Polen. Die Kirchen scheinen in Sachen Versöhnung den Menschen voraus zu sein.

 (DR)

In Polen sorgt die Erklärung der katholischen Bischöfe Deutschlands und Polens zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges für Aufsehen. Die konservative Tageszeitung "Rzeczpospolita" titelte am Donnerstag, es gebe einen Streit über die Wortwahl im Zusammenhang mit der Vertreibung der Deutschen aus Polen.

In der deutschen Fassung des am Dienstag veröffentlichten Dokuments wird der Begriff "Unrecht" verwendet. In der polnischen Fassung wird das Wort "krzywda" gebraucht, das moralisches Unrecht oder Leid bedeutet. Die Zeitung moniert, durch die Verwendung des deutschen Wortes "Unrecht", das auch juristisch gedeutet werden könne, werde Vertriebenenforderungen gegen Polen Vorschub geleistet.

Der Sprecher der Polnischen Bischofskonferenz, Pfarrer Jozef Kloch, sagte demgegenüber: "Es gibt kein Wort, das nur eine Bedeutung hat." Die gemeinsame Erklärung der Bischofskonferenzen appelliere auch an die Medien, Vertrauen zwischen beiden Völkern zu schaffen, anstatt ständig Unterschiede zu betonen. Die Debatte zeige jedoch, dass einige Journalisten dies nicht beherzigten.

Auch die Tageszeitung "Polska" hatte kritisiert, die Bischöfe hätten für die Einordnung der Vertreibungen kein gemeinsames Wort gefunden. Ein verantwortlicher Übersetzer erklärte, die Wörter hätten in beiden Sprachen die gleiche Bedeutung.

Bischöfe offener als durchschnittliche Bürger?
Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, sagte, die deutschen Bischöfe seien viel offener für die komplexen Probleme der deutschen-polnischen Geschichte als ein durchschnittlicher Bürger oder Politiker Deutschlands.

Der Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz lobte in einem Interview der Tageszeitung "Polska" (Dienstag), dass die deutschen Bischöfe die polnische Idee unterstützten. Es sei allerdings kein Geheimnis, dass die deutschen Bischöfe in der Frage der Vertreibungen gespalten seien. "Wir erforschen nicht, welche Bischöfe sind dafür und welche nicht", wird Glodz zitiert.

SPD und Union: Papier wegweisend
Union und SPD haben die Erklärung als richtungsweisend bewertet. Die Oberhirten setzten damit ein "deutliches Zeichen der Aussöhnung" und einen "notwendigen Impuls für die deutsch-polnische Verständigung", sagte die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Angelica Schwall-Düren, am Donnerstag in Berlin. Bis heute überschatteten die Kriegserfahrungen das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen. Umso wichtiger seien gegenseitige Friedensgesten.

Als besonders positiv bezeichnete es der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der Unions-Bundestagsfraktion, Jochen-Konrad Fromme (CDU), dass beide Seiten sich in der Verurteilung der Vertreibungen einig zeigten. Damit werde endlich anerkannt, dass die Heimatvertriebenen zu den "großen Verlierern" des Zweiten Weltkriegs gehörten.

Die Oberhirten hatten am Montag zur ehrlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit aufgerufen und neben den Verbrechen des deutschen Angriffskrieges auch die Vertreibungen der Kriegs- und Nachkriegszeit verurteilt. Fromme unterstrich, die Bischöfe hätten die Nachkriegsgenerationen erneut auf die enormen Verbrechen des Krieges hingewiesen und zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit aufgerufen. Zu hoffen sei, dass sich "die polnischen Kreise" künftig der Redeweise von der Vertreibung anschlössen, anstatt "wider besseres Wissen" noch von "Aussiedlung" zu sprechen.

Polnische Kirche: Chance statt Belastung
Der Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz hat Deutsche und Polen zur Auseinandersetzung mit ihrer gemeinsamen Geschichte aufgerufen. Er sehe darin eine Chance und keine Belastung, sagte er in einem Interview der polnischen katholischen Nachrichtengentur KAI. Das Nachdenken über Geschichte werde zu einer weiteren Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen beitragen.

Nycz sagte weiter, die am Dienstag veröffentlichte Gemeinsame Erklärung der Deutschen und Polnischen Bischofskonferenz zum 70. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen diene der Versöhnung. Das Dokument gehe auf eine Initiative der polnischen Seite vom Mai zurück. Die deutsche Seite habe den Vorschlag in einer offenen Weise angenommen, sagte das Mitglied der Kontaktgruppe beider Bischofskonferenzen.