Deutsche und polnische Bischöfe veröffentlichen Erklärung zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns

Keinen Schlussstrich ziehen

Zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit haben die katholischen Bischöfe Deutschlands und Polens zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs aufgerufen. In einer am Dienstag in Deutschland und Polen zeitgleich veröffentlichten Erklärung verurteilen sie die Verbrechen des deutschen Angriffskrieges, aber auch die Vertreibungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, und erinnern an den Zusammenhang und die Abfolge dieser Ereignisse.

 (DR)

Die Bischöfe warnen zugleich davor, die in der Geschichte geschlagenen Verletzungen «propagandistisch auszubeuten» und Ressentiments zu schüren. Ziel müsse es vielmehr sein, im Rahmen von Europa die nachbarschaftlichen Beziehungen auszubauen und gemeinsam in die Zukunft zu schauen.

Wörtlich heißt es in dem Text, der die Unterschrift der beiden Vorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg) und Erzbischof Jozef Michalik (Przemysl), trägt: «Die deutschen und polnischen Bischöfe verurteilen gemeinsam das Verbrechen des Krieges; einig sind wir uns auch in der Verurteilung der Vertreibungen. Dabei verkennen wir niemals den inneren Zusammenhang und die Abfolge der Geschehnisse.» Die Erklärung war in den vergangenen Monaten von der Kontaktgruppe der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung von Bischof Wiktor Skworc (Tarnow) und Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg) vorbereitet worden.

Ausdrücklich betonen die Bischöfe, dass das nationalsozialistische Deutschland am 1. September 1939 einen Krieg entfesselt habe, in dem «die fundamentalen Menschenrechte offen verneint und alle moralischen Prinzipien über Bord geworfen wurden». Im Osten Europas habe der Krieg auf Vernichtung und Versklavung gezielt: Insbesondere die polnischen Führungsschichten - darunter Intellektuelle, Wissenschaftler und Klerus - seien von einer Ausrottungspolitik betroffen worden, die «die Knechtschaft eines ganzen Volkes zum Ziel hatte. Gedacht wird auch der Millionen Juden, die dem "Menschheitsverbrechen des Holocaust" zum Opfer fielen, ebenso wie der ermordeten Sinti und Roma und der geistig Behinderten.

Ausführlich geht der Text auf den anstehenden Generationswechsel in beiden Ländern ein. Nach den Augenzeugen des Kriegs und der Nachkriegszeit trete nun auch die Generation jener in den Hintergrund, die «den Mut besaßen, Worte der Reue und der Vergebung auszusprechen und ein neues Kapitel in der Geschichte unserer Völker aufzuschlagen.» Für die Zukunft komme es darauf an, die Auseinandersetzung mit den Schrecken der Vergangenheit redlich zu führen und auf Klischees zu verzichten, die wirkliches Verstehen behindern. Der Friede hänge auch von der Fähigkeit jedes Einzelnen ab, zu verzeihen und seine Schuld zu bekennen.

Für die Gegenwart und Zukunft fordern die Bischöfe vermehrte Friedensgebete, Begegnungen, Sprachkurse sowie eine verstärkte Zusammenarbeit der kirchlichen Institutionen in beiden Ländern. Mit ihrem beachtlichen Potenzial an Menschen und Mitteln könnten die Katholiken beider Länder auch in der Evangelisierung der Welt und insbesondere Afrikas vieles leisten. Gemeinsam setze man sich auch für die Förderung der Familie und für den Lebensschutz ein. Mit Blick auf die europäische Einigung betonen die Bischöfe: «Die Chance eines Friedens, die der Vereinigung der europäischen Völker entspringt, darf nicht verpasst werden. Wir wenden uns an alle, nicht darin nachzulassen, im Beten und Handeln an der europäischen Einheit mitzuwirken.»