Militärseelsorger berichtet vom Alltag in Kunduz

"Die Soldaten brauchen Rückendeckung"

Pater Jonathan Göllner ist Militärseelsorger beim regionalen Wiederaufbauteam im Feldlager Kunduz. Im domradio-Interview berichtet der Benediktiner am Tag vor der Wahl über seinen Alltag mit den Soldaten und den erhöhten Druck auf die Kameraden durch den verschärften Terror der letzten Tage.

 (DR)

domradio: Die Soldaten bekommen ja mit, was in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert wird, Was macht das mit den Soldaten, die ja da im Einsatz sind?
Göllner: Die aktuelle Lage geht nicht spurlos an den Soldaten vorbei, sowohl die Lage hier in Afghanistan als auch die in Deutschland. Wobei die Situation hier vor Ort natürlich deutlich mehr den Alltag der Soldaten bestimmt.

domradio: Wie geht es den Soldaten, jetzt wo die Bedrohung von Seiten der Taliban mehr und mehr zugenommen hat?
Göllner:
Die Soldaten sind natürlich momentan sehr stark eingebunden in die Absicherung und die Vorbereitung der Wahlen. Viele Soldaten sehen es wirklich als ihren guten Auftrag an, dem Land zu helfen, die Wahlen zu schützen, und der Bevölkerung die Teilnahme zu ermöglichen. Aber natürlich sind sie sich auch der Gefahr bewusst.


Wichtig ist den Soldaten vor allen Dingen der Rückhalt untereinander, in den einzelnen Gruppen oder auch der Besatzung auf den Fahrzeugen. Wichtig ist, das Gefühl zu haben: Wir machen das hier gemeinsam für Deutschland.

domradio: Was erwarten denn die Soldaten von Deutschland?
Göllner: Schlichtweg Rückhalt, Rückendeckung im wahrsten Sinne des Wortes, Rückenstärkung und Zuwendung aus der Heimat. Das geschieht durch die Familien, durch Freunde und die heimischen Einheiten. Da kommt unheimlich viel Post an jeden Tag.

domradio: Was ist ihre Funktion in diesem Feldlager?
Göllner: In erster Linie: Viel zuhören. Als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen und als Zuhörer. Als Adresse, bei der Vertraulichkeit gilt, wo Soldaten mit ihren unterschiedlichsten Erfahrungen, die sie in ihrem Einsatz gemacht haben, hingehen können. Dampf ablassen, die Seele frei reden. Ich bin eher Zuhörer.

domradio: Wie gehen sie als Pfarrer um, mit dem was sie erfahren?
Göllner: Ich habe mir in Deutschland einen guten Rückhalt geschaffen bei Freunden und Klosterbrüdern, die den Einsatz mittragen, und mit denen ich in Kontakt bin. Denen ich dann auch von hier berichten kann. Und wir haben hier den Raum der Stille, der von den.Soldaten sehr intensiv genutzt wird. Da kann man wirklich die aktuelle Situation spiegelbildlich an der Zahl der angezündeten Kerzen im Kerzenleuchter sehen. Und dort halte ich morgens und abends eine Zeit der Stille, das ist mir sehr wichtig. Ich teile das Leben der Soldaten hier, auch wenn ich vom Status her kein Soldat bin. Aber ich lebe unter den gleichen Umständen.

domradio: Wenn sie nicht Gottesdienst feiern. Was machen sie sonst im Feldlager, wie sieht ihr Leben da aus?
Göllner: Ich begleite die Soldaten bevor sie in den Einsatz gehen und wenn sie zurückkommen. Es gibt aber auch ein Betreuungsprogramm, das von Kirchenkino bis hin zum wöchentlichen Bibelfrühstück geht.