Endspurt im Wahlkampf in Afghanistan

Im Schatten des Terrors

In Afghanistan hat am Montag der Endspurt im Wahlkampf zur Präsidentenwahl begonnen. Am Donnerstag sind 17 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Der Wahlkampf war von Terroranschlägen überschattet. In Deutschland gibt es unterdessen eine neue Debatte um einen Rückzug aus dem Land.

 (DR)

48 Stunden vor Beginn der Abstimmung müssen dem Reglement der unabhängigen Wahlkommission zufolge alle Werbe-Auftritte eingestellt werden. Am Sonntag war der amtierende Präsident Hamid Karsai überraschend in einer Fernsehdebatte aufgetreten, wo er seine bisherige Regierungspolitik verteidigte. Gleichzeitig kam der umstrittene Ex-Milizenchef, General Abdul Raschid Dostum, auf Initiative Karsais aus dem Exil zurück. Er soll Armeechef werden, wenn Präsident Karsai wiedergewählt wird.

Dostum gilt als der brutalste Warlord Afghanistans. In den Kriegen der vergangenen drei Jahrzehnte hat er auf praktisch jeder Seite gekämpft. Nun soll er offenbar für Karsai Wählerstimmen gewinnen.

Von Terroranschlägen überschattet
Der Paschtune Karsai, seit 2002 im Amt, geht als Favorit in die Wahl, muss aber mit einem zweiten Wahlgang Mitte Oktober rechnen. Wichtigster Gegenspieler ist der ehemalige Außenminister und Augenarzt Abdullah Abdullah. Auch dem früheren Weltbankmitarbeiter Ashraf Ghani werden Chancen eingeräumt.

Der Wahlkampf war von Terroranschlägen überschattet. Am Samstag sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor dem Tor des hochgesicherten NATO-Hauptquartiers in Kabul in die Luft. Mindestens sieben Menschen starben, etwa 100 wurden verletzt. Die Taliban bekannten sich später zu dem Angriff. Sie haben zum Boykott der Wahl aufgerufen.

Neue Debatte um Dauer des Afghanistan-Einsatzes
Wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Afghanistan gibt es in Deutschland eine neue Debatte um einen Rückzug aus dem Land. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte am Montag in Berlin, der Zeitraum des Bundeswehr-Engagements werde nicht "ohne Not" ausgedehnt. Die Erfolge der vergangenen Jahre etwa im Bildungswesen, bei der Infrastruktur und der medizinischen Versorgung dürften aber nicht durch einen zu frühen Rückzug zunichtegemacht werden. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte zuvor bekräftigt, die Bundeswehr werde noch fünf bis zehn Jahre in Afghanistan bleiben.

Jung reagierte damit in der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe) auf Kritik seines Amtsvorgängers Volker Rühe (CDU). Dieser hatte im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einen Abzug der Bundeswehr in zwei Jahren gefordert und den Einsatz "ein Desaster" genannt.

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, mahnte ein Ausstiegsszenario an. Das sei "eine Verpflichtung gegenüber den Helfern und den Soldaten, die wir unter hohem Risiko dorthin schicken", sagte er der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Montagsausgabe). Außerdem sei es eine Verpflichtung gegenüber der eigenen Bevölkerung und Öffentlichkeit. Zugleich bekräftigte Nachtwei, dass die Entscheidung für eine deutsche Beteiligung richtig gewesen sei. Afghanistan hätte nicht sich selbst oder der US-Militärmaschinerie überlassen werden dürfen.

Der frühere Leiter des Planungsstabs der Bundeswehr, Ulrich Weisser, forderte in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Rundschau" (Montagsausgabe) ein Ende des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan bis spätestens 2011. Den Deutschen dürfe nicht die Aussicht präsentiert werden, "noch weitere zehn Jahre Krieg zu führen, der in einem Land, das von Drogenkartellen beherrscht und von Korruption zerfressen wird, nicht zu gewinnen ist".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), warnte unterdessen in der "Bild"-Zeitung davor, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu einem Wahlkampfstreit zu machen: "Wenn die Taliban merken, dass in Deutschland eine große Debatte losgetreten wird, werden sie noch mehr Anschläge auf die Bundeswehr verüben."