Ex-Bischof Fernando Lugo ist ein Jahr Präsident in Paraguay

Weder Messias noch böser Bube

Fernando Lugo regiert Paraguay seit dem 15. August 2008. Und er war angetreten, das korrupte Land von Grund auf zu säubern und die Armutsrate von mehr als 40 Prozent zu senken. Doch das verarmte Volk wird immer unzufriedener mit der langsamen Vorgehensweise des ehemaligen Bischofs von San Pedro. Ein Resumee.

Autor/in:
Huberta von Roedern
 (DR)

Fernando Lugo wird erleichtert sein. Endlich konnte der Präsident Paraguays eines seiner wichtigsten Wahlversprechen
einlösen: Knapp ein Jahr nach Amtsantritt gelang es ihm, den umstrittenen Energievertrag mit Brasilien neu zu verhandeln - die alte Fassung hatte Paraguay benachteiligt. Doch auch dieser Erfolg wird ihm wenig Zeit zum Ausruhen lassen.

Die indigenen Minderheiten, die Obdachlosen und die verarmte Landbevölkerung haben bereits die Geduld verloren. Sie protestieren fast täglich lautstark in der Hauptstadt Asuncion, blockieren Straßen und verlangen schnelle Veränderungen. Sie wollen nicht mehr vertröstet werden - und verschließen zugleich die Augen vor den ersten Fortschritten: Lugo hat etwa kostenlose Gesundheitsversorgung und Schulbildung für die Ärmsten eingeführt, für mehr als 40.000 Familien gibt es jetzt Sozialprogramme.
Vergangenheit aufarbeiten
Zudem hat das Land, das als Paradebeispiel für Vetternwirtschaft galt, neue Führungskräfte in den öffentlichen Ämtern, der Justiz und dem Militär. Doch gibt es noch viele Mitarbeiter, die jahrelang von dem korrupten System der Coloradopartei profitiert hatten. Lugo treibt besonders die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen während des Regimes von Diktator Alfredo Stroessner (1954-1989) voran.

Außenpolitisch flirtet er mit den populistisch-sozialistischen Präsidenten der Region. Doch machte er mehrfach klar, dass er deren Verstaatlichungspolitik oder Beschneidung der Pressefreiheit ablehne und sein Land einen eigenen Weg gehen werde.

Geduld predigen
Der Präsident selbst predigt immer wieder Geduld: Ein Land, das 60 Jahre lang in der Hand einer Partei war, könne man nicht über Nacht umkrempeln. Er sei nun einmal weder Messias noch Batman, sagt der bärtige Mann, der fast immer Sandalen und offenes Hemd trägt. Die versprochene Agrarreform werde auf alle Fälle durchgeführt, doch dazu müsse erst einmal ein Kataster angelegt werden.

Einigen geht alles nicht schnell genug, andere sind zufrieden mit ihrem Präsidenten. Umfragen zufolge genießt er eine Zustimmung von rund 40 Prozent. Und selbst der Skandal um uneheliche Kinder scheint seiner Popularität nicht nachhaltig geschadet zu haben. Als böser Bube steht er jedenfalls nicht da. Nachdem Lugo im April einen zweijährigen Jungen als Sohn anerkennen musste, den er noch zu seinen Zeiten als Bischof gezeugt hatte, war zwar zunächst ein kräftiger Imageverlust die Folge. Doch nun wird dem 58-Jährigen gerade von Frauen angerechnet, dass er sich öffentlich zu seinem Kind bekannte. Das Ergebnis zweier weiterer Vaterschaftstests steht noch aus.

Eigene Fehler
Das Verhältnis Lugos zur katholischen Kirche hat der Skandal um die Kinder dagegen getrübt. Kirchenvertreter hatten sein Verhalten als schweren Schaden für die Kirche bezeichnet. Zudem gibt es Diskussionen darüber, was die Kirche gewusst habe: Die Mutter des anerkannten Kindes, aber auch ein Bischof und mehrere Geistliche behaupten, die Kirchenspitze sei ihm Bilde gewesen; die offiziellen Stellen bestreiten dies. Lugo hatte für die Präsidentschaftskandidatur sein Bischofsamt aufgegeben. Der Vatikan verfügte im Januar 2007 die Suspendierung. Nach seinem Wahlsieg im April 2008 wurde Lugo in den Laienstand versetzt.

Unabhängig von der Frage der Vaterschaften hält sich die Bischofskonferenz bisher mit Kritik an Lugos Regierungspolitik zurück, forderte allerdings schnellere Reformen. Derzeit gibt es jedoch keine Alternative zu Lugos Vielparteienkoalition. Dem Präsidenten fällt es oft schwer, die verschiedenen Gruppierungen auf Regierungskurs zu halten, doch droht ihm von der ehemals allmächtigen Coloradopartei kaum Gefahr, da diese noch immer ihre Wunden der Wahlniederlage leckt. Trotzdem muss sich Lugo sputen. Er war angetreten, das Land moralisch zu reinigen, und seine Integrität war sein großes Plus. Nun muss er zeigen, dass er den Erwartungen gerecht wird.