Graben zwischen Kirche und Regierungen in Lateinamerika wächst

Solidarität und Morddrohungen für den Kardinal

Während die internationale Staatengemeinschaft, multinationale Großkonzerne und sogar europäische kirchliche Hilfsorganisationen in seltener Einmütigkeit die Wiederherstellung der demokratischen Spielregeln in Honduras fordern, kämpft Kardinal Oscar Andres Rodriguez vor Ort einen recht einsamen Kampf für seine Sichtweise und gegen eine Rückkehr des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya. Das beschert ihm viele Feinde.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Auf dem Schreibtisch von Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga in Tegucigalpa stapeln sich die Solidaritätsadressen von Amtskollegen. Der lateinamerikanische Bischofsrat CELAM schickte in diesen Tagen ebenso seine «brüderlichen Grüße» wie fast alle nationalen Bischofskonferenzen der Region. Der Erzbischof ist Vorsitzender der Honduranischen Bischofskonferenz und er pocht darauf, dass ein souveränes Parlament den Präsidenten absetzen und der Oberste Gerichtshof Zelayas umstrittene Pläne, den eigenen Machterhalt durch eine Verfassungsänderung zu sichern, ablehnen dürfe. Dies müsse auch die internationale Gemeinschaft anerkennen. Die spektakuläre Abschiebung Zelayas im Schlafanzug durch das Militär nach Costa Rica verurteilte die Kirche in Honduras allerdings.

Besonders lauten Beifall für die Position des prominenten Kirchenführers gibt es von den Amtsbrüdern aus Bolivien, Venezuela, Nicaragua und Ecuador - Staaten, in denen sozialistische Regierungen an der Macht sind. Auch wenn Kardinal Rodriguez immer wieder beteuert, die honduranischen Bischöfe hätten keinesfalls den Staatsstreich gegen den linksgerichteten Zelaya in Honduras vom 28.
Juni legitimiert, so gilt er vor allem in der medialen Wahrnehmung als aktiver Unterstützer des angeblichen Putschisten und Übergangspräsidenten Roberto Micheletti - deshalb erhält der Kardinal nicht nur freundliche Post.

Auch Morddrohungen und Beschimpfungen finden den Weg in die erzbischöfliche Residenz von Tegucigalpa und die Internetforen der staatlich kontrollierten Medien in Venezuela, Ecuador oder Nicaragua. Die verbalen Angriffe gegen den «Putsch-Kardinal» belegen, dass der Graben zwischen katholischer Kirche und den sozialistischen Regierungen Lateinamerikas immer tiefer wird. Die Positionen scheinen unvereinbar: Die Präsidenten von Ecuador, Nicaragua, Argentinien und El Salvador laden zu gemeinsamen Pressekonferenzen mit Zelaya, die lateinamerikanischen Kirchenführer stellen sich geschlossen hinter Rodriguez.

Die Kirche bekommt immer deutlicheren Gegenwind. In Venezuela müssen die Bischöfe derzeit Gerüchte entkräften, sie forcierten einen Putsch gegen den linkspopulistischen Präsidenten Hugo Chavez. In Nicaragua weigert sich Präsident Daniel Ortega seit Wochen, ein Versöhnungsgespräch mit der Ortskirche zu führen, und in Bolivien ist ein offener Streit zwischen dem Klerus und dem Machtapparat von Präsident Evo Morales entbrannt.

Das gespannte Verhältnis ist längst keine Vertrauenskrise mehr, sondern eine machtpolitische Frage: Die Positionierung der Kirche gegen die Haltung der internationalen Staatengemeinschaft dürfte die Erosion des kirchlichen Einflusses in Lateinamerika beschleunigen.

Auch international verliert die Stimme der Kirche offenbar immer mehr an Gewicht: Als im nicaraguanischen Managua vor einigen Monaten bei den Kommunalwahlen Ergebnisse gefälscht und oppositionelle Medien in Venezuelas Hauptstadt Caracas an der Arbeit gehindert wurden, kritisierte die Kirche dies immer wieder öffentlich. Die Proteste verhallten international allerdings ungehört.

Der entmachtete Präsident Manuel Zelaya plant jetzt den Aufbau einer «friedlichen Volksarmee», die ihm Geleitschutz geben soll, wenn er ein drittes Mal versucht, in seine Heimat zurückzukehren. Lateinamerikas Bischöfe werden den erneuten Rückkehrversuch kritisieren. Ob die Diplomaten der internationalen Staatengemeinschaft diese Kritik berücksichtigen, ist aber zweifelhafter denn je.