Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz zur Lage in Nigeria

"Wir müssen Solidarität zeigen"

Nach den schweren Gefechten im Norden Nigerias ist nach Polizeiangaben der Anführer der radikalislamischen Aufständischen getötet worden. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und der Armee im Norden Nigerias hatten in den letzten Tagen mehr als 600 Menschenleben gekostet. Tausende Christen sind auf der Flucht. Im domradio-Interview ruft Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, zur Solidarität mit den Christen in Nigeria auf.

Erzbischof Ludwig Schick (hier bei seiner Afrika-Reise 2008) (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick (hier bei seiner Afrika-Reise 2008) / ( KNA )

domradio.de: Wie bedrohlich ist nach Ihren Erkenntnissen die Situation für die Christen in dem Land?
Erzbischof Schick: Es ist sicher nicht das ganze Land betroffen, aber vor allem im Bundesstaat Borno ist die Lage für Christen sehr bedrohlich. Christen sind auf der Flucht, Christen sind getötet worden. Es muss alles dafür getan werden, dass dort Frieden einkehrt und die Christen nicht um Leib und Leben bangen müssen!

domradio.de: Der nigerianische Präsident setzt massiv die Sicherheitskräfte gegen die dortige islamistische Sekte ein - Aber kann diese Maßnahme wirklich dauerhaft zu einer Beruhigung der Lage führen?
Schick: Dauerhaft nicht, aber es ist notwendig, dass jetzt auch die Armee eingreift. Eine Armee ist dazu da, um die die bedrohte Bevölkerung zu schützen und deshalb muss dort eingegriffen werden.

domradio.de: Die Kämpfer der Sekte behaupten, sie würden gegen eine Verwestlichung des Landes kämpfen. Welchen Eindruck haben Sie - Ist es tatsächlich ein primär religiöser Konflikt oder führen Armut und politische Instabilität die Menschen zu diesen Gewalttaten?
Schick: Es hängt miteinander zusammen. Es gibt politische Gruppen, die um ihren Machtbereich ringen und ausweiten wollen und die den Islam und die Scharia einführen wollen. Aber warum kommen die Menschen zu diesen Gruppen? Das ist die Frage der Armut und der Unwissenheit und deshalb hängen die Probleme schon zusammen. Für den akuten Einsatz und die Befriedung ist das Militär nötig. Aber es müssen die Probleme angegangen werden, die eigentlich dahinter stecken. Das ist die Armut, die Ungerechtigkeit im Land und auch die Unwissenheit über Religionen des Islam, des Christentums und der animistischen Religionen in Nigeria. Hier muss für die die langfristige Befriedung einiges mehr geschehen.

domradio.de: Wie unterstützt die Deutsche Kirche die Menschen in Nigeria?
Schick: Zunächst durch unsere Hilfswerke. Misereor ist in Nigeria stark engagiert, ebenso Missio. Wir unterstützen auch die Bischöfe. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch wird noch im August nach Nigeria reisen. Wir sprechen auch mit den politisch Verantwortlichen und sagen ihnen, dass sie jetzt mit den entsprechenden Maßnahmen Frieden stiften müssen und die Christen schützen müssen. Und dass dann aber auch die Probleme, die dahinter stecken, anzugehen sind.

domradio.de: Was können wir als Katholiken in Deutschland tun, um die Lage der Menschen in Nigeria zu verbessern?
Schick: Es ist wichtig für uns Christen, dass wir für die Menschen dort beten! Und wir müssen Solidarität zeigen und öffentlich kundtun: "Das darf nicht geschehen, was dort derzeit geschieht!" Wir müssen auch den Einfluss auf unsere Politiker verstärken, dass sie sich für Nigeria, die Bevölkerung und die Christen dort einsetzen. Durch die Hilfswerke und mit den von unseren Diözesen unterstützten Projekte helfen wir, dass die Solidarität verstärkt wird, um die Situation insgesamt zu stabilisieren. Damit die radikalen Splittergruppen nicht mehr über ein solches Reservoir an Anhängern verfügen können.