Immer mehr Frauen bleiben ohne Nachwuchs - Kinderlosigkeit "Teil der Kultur" - Westdeutsche Akademikerinnen am häufigsten "ohne"

Kinderarmes Deutschland

Immer mehr Frauen in Deutschland bekommen keine Kinder.
Dies gilt vor allem für westdeutsche Akademikerinnen und Großstädterinnen. Die steigende Kinderlosigkeit ist inzwischen bestimmender für das sinkende Geburtenniveau als die Zahl der Kinder, die Frauen durchschnittlich bekommen, wie sich aus einer neuen Studie des Statistischen Bundesamtes ergibt, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Nach Ansicht des Berliner Sozialwissenschaftlers Steffen Kröhnert ist Kinderlosigkeit Teil der Kultur in Deutschland geworden.

 (DR)

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, höhere Bildung und Kinder seien in Westdeutschland viel zu lange unvereinbar gewesen. Finanzielle Leistungen wie das Elterngeld sowie gute Betreuungsangebote seien daher alternativlos.

Von den 60- bis 65-jährigen Frauen sind nur elf bis zwölf Prozent ohne Kinder geblieben. Bei den heute 40- bis 44-Jährigen sind es bereits 21 Prozent, berichtete der Präsident des Bundesamtes, Roderich Egeler. Das Bundesamt hat für die Studie im Rahmen des Mikrozensus 2008 die Daten zur Kinderlosigkeit erhoben. Von den 35- bis 39-Jährigen hatte zum Zeitpunkt der Befragung 2008 rund ein Viertel (26 Prozent) keine Kinder bekommen, bei den 30- bis 34-jährigen Frauen waren es 43 Prozent.

Die Statistiker wiesen zwar darauf hin, dass die jüngeren Frauen noch Mutter werden können, allerdings ist der Anteil der Kinderlosen unter den Jüngeren gestiegen. Im vergangenen Jahr waren 35 Prozent der 34-Jährigen kinderlos, während bei Frauen, die heute Mitte 50 sind, nur 20 Prozent mit 35 Jahren noch keine Kinder hatten.

Die Zahl der Kinder, die Frauen bekommen, hat sich bei den heute über 50-Jährigen und den über 40-Jährigen kaum verändert. Etwa 30 Prozent der Mütter haben ein Kind, fast die Hälfte der Frauen haben zwei Kinder und nur rund 20 Prozent drei oder mehr Kinder.

Die Befragung ergab zudem, dass die Kinderlosigkeit im Westen Deutschlands höher ist als im Osten. In Städten ist sie höher als auf dem Land. Frauen, die aus dem Ausland eingewandert sind, bleiben seltener ohne Kinder als Frauen ohne Migrationshintergrund.

Auch der Bildungsgrad spielt bei der Kinderlosigkeit eine Rolle. Höher gebildete Frauen haben häufiger keine Kinder als Frauen mit geringerer Bildung. 28 Prozent der westdeutschen Akademikerinnen zwischen 40 und 75 Jahren haben keine Kinder zur Welt gebracht. Bei den Frauen insgesamt waren es 16 Prozent.

Der Anteil der ledigen Mütter steigt zwar stetig, doch verheiratete Frauen bekommen häufiger Kinder. Bei den 25- bis 39-Jährigen hatten 83 Prozent der Ehefrauen Kinder sowie 36 Prozent der Frauen, die ohne Trauschein mit einem Partner zusammenleben. Ledige ohne Partner waren zu 15 Prozent Mutter.

Der Sozialwissenschaftler Steffen Kröhnert sagte im Deutschlandradio Kultur, die «Lebensform Kinderlosigkeit» sei ein Teil der Kultur in Deutschland geworden. Nach wie vor hätten zwar die meisten Frauen Kinder. Aber mittlerweile sei ein Fünftel der 40- bis 50-jährigen Frauen kinderlos, «und das ist auch akzeptiert und wird nicht mehr hinterfragt oder angeprangert, wie das in anderen Gesellschaften vielleicht oder in früherer Zeit war», sagte der Wissenschaftler vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

Als «interessante Erkenntnis» bezeichnete Kröhnert das Ergebnis, wonach die niedrige Geburtenrate in Deutschland vor allem daher rührt, dass immer mehr Frauen gar keine Kinder bekommen. Hingegen habe sich die Zahl der Kinder pro Mutter bei den nach 1949 geborenen Frauen kaum verändert. Kröhnert sieht in den neuen Zahlen eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen. Bisher sei die Zahl der Kinder pro Frau nie genau erfasst worden. Jetzt gebe es eine neue Datengrundlage für Forscher.

Der Mikrozensus ist eine repräsentative Statistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt, an der jährlich ein Prozent aller Haushalte in Deutschland beteiligt sind. Insgesamt nehmen rund 390.000 Haushalte mit 830.000 Personen am Mikrozensus teil.