Amnesty zur erneuten Ermordung von Bürgerrechtlern in Tschetschenien

"Ins Fadenkreuz, weil sie der Propaganda widersprechen"

In Tschetschenien ist zum zweiten Mal innerhalb eines Monats eine Bürgerrechtlerin entführt und getötet worden. Sarema Sadulajewa war Leiterin einer Kinder-Hilfsorganisation. "Wir dachten bislang, dass Menschen, die sich im humanitären Bereich engagieren, geschützt sind", so Peter Franck von Amnesty International im domradio-Interview. Dies sei offensichtlich nicht mehr der Fall.

 (DR)

"Auch sie wurden nicht 'nur' durch Attentate getötet. Die Menschen werden entführt, werden ermordet - offenbar fürchten die Täter überhaupt keine Strafverfolgung." Die offizielle Propaganda sage seit Jahren, Tschetschenien sei befriedet, so Franck. "Organisationen, die daran zweifeln und auch noch mit internationalen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten, geraten ins Fadenkreuz, weil sie eben dieser Propaganda widersprechen. Man kann nur vermuten, dass sie deshalb missliebig sind. Die Attentäter scheinen sich als Vollstrecker einer Regierungsmeinung zu fühlen."

Ermordung nach Entführung
Sarema Sadulajewa, Leiterin der nichtstaatlichen Hilfsorganisation "Rettet die Generationen" und ihr Ehemann Alik Dschabrailow waren am Montagmittag von bewaffneten Unbekannten aus dem Büro der Organisation verschleppt worden.

Nach Auskunft der tschetschenischen Innenbehörde wurden die die Leichen am frühen Dienstagmorgen mit zahlreichen Schusswunden im Kofferraum eines Autos in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entdeckt, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete. Die Innenbehörde in Grosny lehnte es zunächst ab, von einer Entführung zu sprechen, da die beiden ohne Widerstand zu leisten mit den Männern mitgegangen seien.

Steinmeier verurteilt Mord
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Ermordung "aufs Schärfste" verurteilt. Die Beiden hätten sich mutig und engagiert für die Rechte von Kindern und Jugendlichen eingesetzt, die Opfer des Tschetschenien-Konflikts geworden seien, erklärte Steinmeier am Dienstag in Berlin. Das Ehepaar war am Dienstagmorgen mit zahlreichen Schusswunden im Kofferraum eines Autos in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny aufgefunden worden.

Steinmeier rief dazu auf, die Hintergründe der "feigen Tat" rasch aufzuklären. Täter und Drahtzieher müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Sadulajewa war Leiterin einer Hilfsorganisation. Unter anderem im Auftrag von UNICEF half sie Kindern, die Opfer von Minen wurden, mit medizinischer Behandlung und Prothesen. Dabei hatte sie auch mit deutschen Ärzten zusammengearbeitet.

Außenminister Steinmeier forderte die ermittelnden russischen Behörden zugleich auf, auch den Mord an Natalia Estemirowa aufzuklären. Die führende Mitarbeiterin der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" im Nordkaukasus, war Mitte Juli in Tschetschenien verschleppt und in der russischen Nachbarrepublik Inguschetien tot aufgefunden worden.

Zusammenarbeit mit UNICEF
Die Hilfsorganisation "Rettet die Generationen" arbeitete seit 2001 unter anderem im Auftrag von UNICEF und hilft Kindern, die Opfer von Minen geworden sind. Der frühere Leiter der Organisation, Murad Muradow, war 2005 während einer Antiterror-Operation in einem Stadtteil von Grosny festgenommen, verstümmelt und getötet worden.

Mitte Juli war in Grosny die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa, die früher mit der Journalistin Anna Politkowskaja zusammengearbeitet hatte, entführt und später erschossen worden.