Atmosphäre nach Ende der großen Koalition in Schleswig-Holstein vergiftet

SPD-Minister räumen Büros

Vor dem Schreibtisch von Schleswig-Holsteins Justizminister Uwe Döring (SPD) stehen am Dienstagmorgen zwei Umzugskartons. Darüber liegt eine Decke zum Schutz empfindlicher Gegenstände. " Sie sehen mich hier aber nicht zerknirscht", betont der scheidende Ressortchef tapfer. Am Montag hatte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) die SPD-Minister der zerbrochenen großen Koalition entlassen. Das Tischtuch scheint zerrisssen.

Autor/in:
André Klohn
 (DR)

Der 63-jährige Döring und seine drei sozialdemokratischen Ministerkollegen packen nun ihre Sachen und räumen ihre Büros. Es dürfte eine der letzten Machtdemonstrationen von Carstensen sein, bevor er am Donnerstag nach einer absichtlich verlorenen Vertrauensabstimmung den Landtag auflösen und vorzeitige Neuwahlen ansetzen wird.

Bis zum Dienstabend werden Döring, Carstensens Stellvertreterin Ute Erdsiek-Rave (Bildung), Lothar Hay (Innen) und Gitta Trauernicht (Soziales) noch offiziell im Amt sein. Die Führung ihrer Ressorts wurde unter den verbliebenen Kabinettsmitgliedern der CDU aufgeteilt. Zur Verabschiedung am Montagabend waren die SPD-Minister gar nicht erst erschienen. Die Zerknirschtheit ist unüberhörbar.

Carstensen «hätte überhaupt keinen Grund gehabt, uns sozusagen Knall auf Fall rauszuschmeißen», sagte Erdsiek-Rave dem Sender NDR Info. Sie sprach von einem «eigentlich sehr ordentlichen und fairen Verhältnis» untereinander. Als feige empfinde sie es aber, dass der Regierungschef nicht selbst angerufen, sondern Staatskanzleichef Heinz Maurus vorgeschickt habe. Sie wolle sich nun nach 22 Jahren im Landtag aus der aktiven Landespolitik zurückziehen.

Carstensen selbst hatte die Entlassung damit begründet, dass er von der SPD am Montag in die Vertrauensfrage gezwungen worden sei. Die Entlassung sei ihm «wahrlich schwer gefallen», weil er gut mit den SPD-Ministern zusammengearbeitet habe. Der Ministerpräsident widersprach noch am Montagabend Vorwürfen, er habe jetzt mit der Aufkündigung der großen Koalition verhindern wollen, dass weitere Details zur Situation der HSH Nordbank ans Licht kämen. Die FDP hatte ohnehin bereits angekündigt, im neuen Landtag wieder einen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank einrichten zu wollen.

Nach Ansicht der früheren Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) sind Neuwahlen sinnvoll. Es habe keinen Zweck, eine solche Koalition aufrechtzuerhalten, sagte sie MDR INFO. Carstensen und SPD-Landeschef Ralf Stegner seien in ihren Mentalitäten sehr weit entfernt. «Während der Ministerpräsident Konflikte nur ganz schwer ertragen kann und davor zurückschreckt, kann Stegner sie sehr gut durchhalten. Er ist eloquenter, er kann härter austeilen, er kann auch länger und hart einstecken.»

Nach dem Willen der Union soll im Norden parallel zur Bundestagswahl am 27. September gewählt werden. Vor dem Wahlkampf graue ihr ein wenig, sagte Simonis. Dieser werde höchstwahrscheinlich sehr kurz und knapp, aber heftig und schwierig werden. Auch ihr Parteifreund Döring befürchtet «einen Wahlkampf, der an Verletzungen, an vergifteter Atmosphäre kaum zu überbieten ist». Die Politiker müssten alles tun, um dies zu vermeiden. Das derzeit im Verhältnis seiner Partei zur CDU «mutwillig alte Narben aufgerissen» würden, mache ihn sehr betroffen. Man provoziere «im Moment eine dramatisch niedrige Wahlbeteiligung».

In einer Sondersitzung des Kieler Landtags hatte Carstensen am Montag die Vertrauensfrage gestellt. Am Donnerstag dürft ihm nun wie gewünscht das Vertrauen entzogen werden, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Ein Antrag von CDU und Opposition auf Selbstauflösung des Parlaments war zuvor am Widerstand der SPD gescheitert. Sie verhinderte mit ihren Stimmen die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Seitdem schieben sich CDU und SPD gegenseitig die Schuld am Ende des 2005 vereinbarten Bündnisses zu.

Döring blickt entspannt auf das Finale am Donnerstag. Er besitzt kein Landtagsmandat. «Ich werde bis 09.00 Uhr schlafen und die Debatte dann im Fernsehen anschauen», sagte er. Sein Vorteil den anderen scheidenden SPD-Ministern gegenüber sei: Er könne das «Ganze» gegebenenfalls einfach ausschalten.