Philologenverband warnt im domradio vor verschärftem Lehrermangel

"Es nicht mehr cool, zu unterrichten"

Der Lehrermangel in Deutschland wird sich im nächsten Schuljahr verschärfen. Mit alleine 300.000 Lehrern, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen, rechnet Heinz-Peter Meidinger vom Philologenverband. Im domradio-Interview sucht der Verbandschef nach Gründen für die Entwicklung und möglichen Wegen für die Zukunft.

 (DR)

"Der Lehrberuf ist nicht mehr so attraktiv, wie er das mal war", so Meidinger. Das liege nicht an der Bezahlung oder an den Berufsperspektiven. "Das Image des Lehrerberufs hat gelitten." Dafür gebe es viele Gründe: Pisa und den Ruf "anstrengend" zu sein. "Es irgendwie nicht mehr cool, zu unterrichten."

Kurzfristig lasse sich die Lücke nicht schließen. "Wir werden überlegen müssen, den Lehrerberuf langfristig wieder attraktiver zu machen." Das sei auch eine gesellschaftliche Aufgabe. "Lehrer brauchen eine größere Unterstützung von Seiten der Politik und der Medien. Auf der anderen Seite werden wir versuchen, die Lücke durch Notmaßnahmen zu schließen. Durch Aushilfsverträge, mit Quereinsteigern, und vieles mehr."

Verstärkter Einsatz osteuropäischer Lehrer
Bereits im Herbst würden bundesweit rund 40 000 Lehrkräfte fehlen. Das seien rund 15 000 oder 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders groß sei der Lehrermangel in den Fächern Mathematik, Informatik, Physik und Chemie.

Der Philologenverband regte den verstärkten Einsatz osteuropäischer Lehrer an deutschen Schulen an. Verbandschef Heinz-Peter Meidinger: "Die sind gut ausgebildet, müssten pädagogisch aber noch geschult werden." Er forderte die Bundesländer auf, spezielle Kurse für Bewerber aus Osteuropa anzubieten. In einigen Schulen würden bereits Fachkräfte aus Rumänien und Bulgarien eingesetzt. Nach Schätzung des Philologenverbandes gingen in den nächsten zehn Jahren etwa 300 000 der derzeit 770 000 Lehrer an bundesdeutschen Schulen in den Ruhestand.

Özdemir: Das ist ein Armutszeugnis
Grünen-Chef Cem Özdemir bezeichnete die Prognosen als "alarmierend, jedoch wenig überraschend". Seit Jahren sei klar, dass das deutsche Bildungssystem nicht in der Lage sei, die Ausfälle durch die Ausbildung von Nachwuchs auszugleichen.

"Das ist ein Armutszeugnis für eine hoch zivilisierte Industrienation wie Deutschland", kritisierte er. Wenn nicht zügig gegengesteuert werde, verstärke der Lehrermangel in den Technik- und naturwissenschaftlichen Fächern auch den Fachkräftemangel. Es drohe eine "Katastrophe" für den Standort Deutschland.