Interview: Sachsen-Anhalt will seine Klöster besser vermarkten

"Hier ist ein Schatz zu heben"

Durch Sachsen-Anhalt führt bereits die "Straße der Romanik". Jetzt will das Land zudem auf seinen großen Reichtum an Klöstern aufmerksam machen. Der Theologe Harald Schwillus hat mit seinen Studenten eine Studie erarbeitet, wie Kommunen mit dieser Tradition werben könnten.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

KNA: Herr Professor Schwillus, Sachsen-Anhalt will seine Klöster touristisch besser präsentieren. Hat das Land sie vorher vernachlässigt?
Schwillus: Nein, sicher nicht. Aber vielleicht können wir diesen Reichtum des Landes besser kommunizieren. Wir haben über 140 Klosterbauten und Ruinen im Land. Das ist eine sehr hohe Dichte. Im Mittelalter spielten sie eine herausragende Rolle und wurden personell hochrangig besetzt. So unterstand das Franziskanerkloster in Halberstadt einem Bruder, der die heilige Elisabeth von Thüringen als Seelsorger begleitete. Der bedeutende Franziskanerchronist Jordan, der in direkter Verbindung zu Franziskus stand, war im 13. Jahrhundert verantwortlicher Oberer des Ordens für Sachsen. Das ist vielen Menschen nicht bewusst.
Die Studie soll mithelfen, das zu ändern. Dabei sollen die schon vernetzten Standorte teilweise unter neuem Blickwinkel gesehen und weitgehend unbekannte Orte vorgestellt werden. Ziel ist es, dieses Potenzial des spirituellen Tourismus deutlicher zu machen.

KNA: Was war der Ausgangspunkt für die Studie?
Schwillus: Es gab im Jahr 2005 von einem Potsdamer Tourismus-Beratungsinstitut eine Erhebung im Land Sachsen-Anhalt.
Rund 20 Prozent der befragten Touristen erklärten damals auf die Frage, was sie bei einem weiteren Besuch in Sachsen-Anhalt nutzen würden, sie würden gerne spirituelle Angebote vorfinden.

KNA: Was werden die nächsten Schritte sein?
Schwillus: Mit der Studie haben wir Vorschläge gemacht, wie sich die unterschiedlichen Standorte präsentieren können, und dafür Alleinstellungsmerkmale entwickelt, also besondere Merkmale, die die jeweiligen Klöster auszeichnen. Wir möchten die Verantwortlichen vor Ort - die Kirchen, Klostergemeinschaften, evangelischen Kommunitäten und vor allem die Kommunen oder Privatleute - animieren, dieses besondere Merkmal zu nutzen und zu kommunizieren. Wir würden uns freuen, wenn sie unsere Ideen aufgreifen und möglicherweise gemeinsam mit uns umsetzen würden. Einen eigenen Fördertopf gibt es dafür nicht, aber vieles kann im Rahmen der Fördermaßnahmen etwa für den Tourismus unterstützt werden.

KNA: War es schwierig, für alle Klöster ein solches Merkmal zu entwickeln?
Schwillus: Das war unterschiedlich. Für das Kloster Helfta etwa war es sehr leicht. Es war völlig klar, dass wir die Frauenmystik des Mittelalters hervorheben müssen. Bei anderen war es komplexer, von einem ehemaligen Prämonstratenserstift bei Calbe etwa ist fast nichts mehr erhalten. Aber die Reste liegen landschaftlich wunderschön auf einer Insel. Da ist natürlich das Thema "Schöpfung" sehr naheliegend. Dort könnten etwa biblische Schöpfungstexte näher beleuchtet werden.

KNA: Das Projekt läuft unter dem Titel "Spiritueller Tourismus". Was sagen Sie Kritikern, die Ihnen einen zu oberflächlichen Umgang mit dem Christentum vorwerfen?
Schwillus: Es gibt verschiedene Zugänge zum christlichen Überlieferungsgut. Zum einen sicher den internen Zugang, der christlich und spirituell ist. Aber viele Menschen kommen über touristische Angebote zum ersten Mal mit diesem reichen Schatz christlicher Überlieferung in Berührung. Insbesondere auch für diese Menschen - die Einsteiger sozusagen - ist das Angebot gedacht. Wir hoffen natürlich auch, dass Christen für sich neue Facetten, neue Aspekte entdecken.

KNA: Wie reagieren die Einheimischen, die nur zu einem sehr geringen Teil einer Kirche angehören?
Schwillus: Wir waren sehr erfreut über den Zuspruch, den wir bei der Vorstellung der Studie hatten. Der Tagungsraum in Sankt Moritz in Halle platzte aus allen Nähten, und wir haben Kleingruppen gebildet, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Darunter waren nicht nur Vertreter der Kirchengemeinden, viele kamen aus Bereichen, die mit Christentum und Kirche erst mal keine Berührung haben, etwa Vertreter von Kommunen. Sie haben das als spannendes Thema für sich selbst entdeckt. Ich glaube, bei vielen hat sich im Kopf festgesetzt, hier ist ein Schatz zu heben.