Vor 20 Jahren nahmen Warschau und der Vatikan Beziehungen auf

Diplomatische Krönung der polnischen Wende

Unter den vielen Gedenktagen zum 20. Jahrestag der Wende im östlichen Teil Europas gehört der 17. Juli zu einem der weniger bekannten. An jenem Montag im heißen Wendesommer nahm der Heilige Stuhl erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem Staat des Ostblocks diplomatische Beziehungen auf.
Lange hatten die Kommunisten vergeblich versucht, solche Beziehungen anzuknüpfen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Für die 1989 bereits auf dem Rückzug befindlichen kommunistischen Machthaber in Polen war es eine bittere Ironie der Geschichte, dass die damit verbundene internationale Aufwertung nicht mehr ihnen zuteil wurde, sondern der ersten nichtkommunistischen Regierung Polens in den Schoß fiel.

Dass es dazu kam, begann wie viele Ereignisse der Wende mit der Papstwahl des Krakauer Kardinals Karol Wojtyla am 16. Oktober 1978. Als das neue Kirchenoberhaupt im Januar 1979 ankündigte, er wolle bald seine polnische Heimat besuchen, löste das für den Vatikan nicht weniger als für die Regierung in Warschau einen monatelangen Daueralarm aus. Da es zwischen der Volksrepublik und dem Heiligen Stuhl keine diplomatischen Beziehungen gab, musste über Sondergesandte darum gerungen werden, wo der Papst unter welchen Auflagen sprechen dürfe und wie die öffentliche Ordnung bei dem erwarteten Massenauflauf von Staat und Kirche gemeinsam garantiert werden könne.

Schon damals ließ das polnische Außenministerium durchblicken, dass man doch Vieles einfacher regeln könne, wenn es diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Heimatland des Papstes gäbe. Doch damit hätte der Vatikan ohne Not seine harte Linie aufgeweicht, wonach er nur mit solchen Staaten Beziehungen aufnimmt, die der Kirche weitgehende Handlungsfreiheit zusichern. Genau das aber wollte die polnische Regierung damals nicht.

Nachdem der Papstbesuch im Juni 1979 systemerschütternd, aber friedlich vorübergegangen war, versuchte die kommunistische Führung schon bald erneut, mit dem Heiligen Stuhl anzubandeln. Rund ein Jahr nach dem Papsttriumph gründeten streikende Arbeiter die Gewerkschaft Solidarnosc. Die Regierung wusste, dass die katholische Kirche die neue Bewegung massiv unterstützte. Im November reiste eine Regierungsdelegation aus Warschau in den Vatikan und bot dem Papst unter anderem an, er dürfe die polnische Wochenausgabe des «Osservatore Romano» künftig in Polen verbreiten lassen.

Doch auch dieses Zugeständnis reichte für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht aus. Es blieb bei einer Abteilung für «permanente Arbeitskontakte zum Heiligen Stuhl» in der polnischen Regierung. Als die Gewerkschaft Solidarnosc in den Folgejahren in mehreren Anläufen versuchte, die Kommunisten durch Streiks zu entmachten, durchlebten die vatikanisch-polnischen Beziehungen ein Wechselbad. Es entwickelte sich ein labiles und doch tragfähiges Beziehungsdreieck, in dem der Papst aus Polen oft zwischen den Fronten in der polnischen Heimat vermittelte und den Kontakt zu beiden Seiten nicht abreißen ließ.

Auch in dieser Zeit hätte die polnische Regierung nur zu gerne diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl unterhalten. Doch auch bei den folgenden Reisen Johannes Paul II. in seine Heimat blieb dieser Wunsch unerfüllt. Als die durch Kriegsrecht und Abnutzung geschwächte Solidarnosc nach der dritten Papstreise von 1987 einen neuen Aufschwung nahm, machte die Warschauer Führung den entscheidenden Fehler: Sie ließ sich im Januar 1989 auf die Bildung eines Runden Tisches ein, der über eine gewisse Aufteilung der Macht verhandeln sollte und die Abhaltung halbfreier Wahlen beschloss.

Bereits am 11. April 1989 unterzeichnete Johannes Paul II. einen Brief an den polnischen Primas, Kardinal Jozef Glemp, in dem er erklärte, nun endlich sei es opportun, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Doch erst nach den historischen Wahlen im Juni, bei denen die Gegner der Kommunisten 99 Prozent der freien Stimmen erhielten, veröffentlichte der Vatikan den Brief. Das war am 2. Juli. Zwei Wochen später wurden die Beziehungen aufgenommen. Acht Wochen später, am 24. August, wählte das polnische Parlament mit Tadeusz Mazowiecki den ersten nichtkommunistischen Regierungschef im Ostblock.