Forscher wollen Rechte von Naturvölkern stärken

Ansturm auf verborgene Naturheilmittel

Es war eine ungewöhnliche Gemeinschaft, die sich in dieser Woche in der 1991 gegründeten Naturschutzakademie auf Vilm versammelt hat. Im Tagungssaal auf der Ostseeinsel saßen Angehörige afrikanischer und russischer Stammesgemeinschaften neben Maoris aus Neuseeland, arktischen Samen, Aborigines aus Australien und Mitgliedern des nordamerikanischen Tulalip-Stammes. Vier Tage lang diskutierten die Vertreter der unterschiedlichsten Naturvölker zusammen mit Wissenschaftlern darüber, wie ihre Rechte gegenüber der internationalen Pharma-, Kosmetik- und Labensmittelindustrie besser durchgesetzt werden können.

 (DR)

Die von weither angereisten Vertreter indigener Naturvölker waren der Einladung von Bundesumweltminister Siegmar Gabriel (SPD) gefolgt, der derzeit den Vorsitz in der Internationalen Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) führt. Dem Vertragswerk gehören 170 Staaten an, die im kommenden Jahr ein international verbindliches Abkommen zur Stärkung der Rechte von Naturvölkern unterzeichnen wollen.

Es gehe darum, die meist armen Stammesgemeinschaften künftig stärker als bisher am Profit aus der kommerziellen Erforschung und Nutzung der von ihnen entdeckten oder angebauten Heilpflanzen zu beteiligen, sagt Ute Feit vom Bundesamt für Naturschutz (BfN). Als Beispiel nennt die Juristin die Teufelskralle, ein unscheinbares Kraut, das von den San, den Ureinwohner der Kalahari, seit Generationen als Verdauungsmittel, gegen Kopfschmerz und Fieber verwendet wird. Tatsächlich ergaben klinische Untersuchungen dass die Knollen entzündungs- und arthrosehemmende Wirkstoffe bergen, die inzwischen bei der Herstellung von Pillen, Tee und Cremes verwendet werden. Dank Vereinbarungen mit Pharmakonzernen sind die Buschmänner durch die erste Verarbeitung der Wurzeln der Teufelskralle vor Ort inzwischen an der Vermarktung beteiligt.

In vielen anderen Fällen gingen dagegen die Einheimischen, denen eigentlich die Patente für die von ihnen entdeckten, gesammelten oder angebauten Heilpflanzen zustünden, leer aus, kritisiert Feit. Andererseits wachse das Geschäft von Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie mit dem Know-how der Naturvölker. Mittel wie Aspirin mit dem Extrakt aus der Rinde von Weiden, ein Appetitzügler aus der afrikanischen Hoodia-Pflanze oder Vollkornprodukte aus der äthiopischen Zwerghirse Teff seien längst Verkaufsschlager geworden.

Immer häufiger schickten einschlägige Konzerne Pharmaforscher in die Dschungeldörfer auf die Suche nach neuen Wirkstoffen. Doch Experten gehen davon aus, dass der eigentliche Ansturm auf die verborgenen Naturheilmittel erst noch bevorsteht. Denn Bio- und Gentechnologie eröffneten der Forschung neue Möglichkeiten die entdeckten Wirkstoffe zu isolieren und synthetisch herzustellen. Schon jetzt wird das Weltmarktvolumen allein bei Heilpflanzen auf jährlich 30 Milliarden Euro geschätzt.

Um ihre Rechte geltend zu machen, fehlten den indigenen Naturvölkern oft noch die Mittel und die Institutionen, sagt Feit. Auf Vilm hätten sich die Konferenzteilnehmer daher auf praktikable Lösungen zur Einrichtung von Ansprechpartnern verständigt, die künftig im Auftrag der Stämme mit der Industrie entsprechende Gewinnbeteiligungen aushandeln sollen. Ein gerechter Vorteilsausgleich und verbindliche Regelungen über den Zugang zu den biologischen Ressourcen sollen in einem Jahr auf der 10. CBS-Vertragsstaatenkonferenz in Japan beschlossen werden.