"Bombodrom"-Gegner feiern ausgelassen Bundeswehr-Verzicht

Die Heide ist frei!

Es ist eine kleine, aber außerordentlich glückliche Menschenmenge, die sich am späten Donnerstagnachmittag auf dem Kirchvorplatz von Fretzdorf im Norden Brandenburgs eingefunden hat. Knapp hundert Menschen liegen sich in den Armen, beglückwünschen sich und stoßen mit Sekt an. Manche tanzen ausgelassen zu dem Song "Oh happy day", der immer wieder aus zwei aufgestellten Lautsprechern schallt. Sie alle feierten den Sieg der "Bombodrom"-Gegner über die Bundeswehr, die in der Kyritz-Ruppiner Heide an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern einen Bombenabwurf plante.

Autor/in:
André Spangenberg und Susann Fischer
 (DR)

Viele können ihr Glück nun kaum fassen. «Als wir damals angefangen haben, uns gegen die Bundeswehr zu organisieren, haben viele gesagt, das sei sinnlos und der Gegner zu übermächtig. Heute hat sich aber gezeigt, dass sich unser Mut und unsere Hartnäckigkeit gelohnt haben», gibt eine Frau aus Fretzdorf die ganz vorherrschende Meinung wieder.

Benedikt Schirge, Mitbegründer der Bewegung gegen das «Bombodrom» und deren heutiger Sprecher, konnte sich seit der Entscheidung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zum Verzicht auf eine Revision im sogenannten Bombodrom-Verfahren am frühen Nachmittag kaum mehr retten vor Glückwünschen. «Seitdem klingeln bei mir pausenlos die Telefone. Sogar der Ministerpräsident musste vier mal anrufen, bis er durchkam», sagt Schirge über die Flut von Gratulanten, unter denen sich auch Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) befand.

Bei anderen widerum kam in der Jubelstunde Trauer mit Blick auf jene auf, die diesen Moment nicht mehr erleben können. «Als ich heute Nachmittag von der Entscheidung erfahren habe, musste ich spontan an die alten Recken denken, die das heute nicht mehr leben», sagt die Prignitzer Linke-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann über die Bewegung, die sich über 17 Jahre hinzog und insgesamt 26 Gerichtsentscheidungen erlebte.

Der Bürgermeister von Neuruppin und Vorsitzende des wirtschaftsorientierten Vereins Pro Heide, Jens-Peter Golde (parteilos), schaute während der kleinen Feier bereits in die Zukunft. «Es haben sich schon erste Firmen bei mir gemeldet und Investitionen angekündigt», sagt Golde. Darunter befänden sich Betreiber von Photovoltaikanlagen und Tourimusunternehmen. «Die bekamen ja über all die Jahre keine Kredite wegen der unsicheren Lage in der Region. Das wird sich nun schlagartig ändern», hofft Golde.

Zugleich erhob der Politiker die Forderung an die Bundesrepublik Deutschland und das Land Brandenburg, das Gelände des ehemaligen Truppengeländes nunmehr umfassend zu sanieren. «Um das Gelände zu dekontaminieren, sind etwa 239 Millionen Euro Kosten veranschlagt worden. Dieses Geld muss nun schleunigst von der Oberfinanzdirektion aufgebracht werden», sagt Golde.

Die Menschen in Fretzdorf hingegen wollten sich am Donnerstag noch nicht mit Gedanken an die Zukunft beschäftigen. «Am Sonntag werden wir marschieren wie geplant. Diesmal aber unter dem Motto: Die Heide ist frei», sagt Schirge. Zu der Demonstration am Sonntag werden mehrere Hundert Mitstreiter erwartet. Ebenfalls angekündigt hat sich Ministerpräsident Platzeck.