In der italienischen Erdbebenstadt L'Aquila könnte eines der letzten G8-Treffen über die Bühne gehen

Gipfel auf schwankendem Grund

Der G8-Gipfel steht auf schwankendem Grund. Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands kommen ab Mittwoch im italienischen Erdbebengebiet der Abruzzen zu ihrem alljährlichen Spitzentreffen zusammen. Trotz anhaltender Erdstöße machten Tagungsort und Pressezentrum in L'Aquila einen guten Eindruck, versicherten deutsche Regierungsvertreter am Dienstag in Berlin. Die Zukunft des G8-Gipfels selbst allerdings scheint keineswegs gesichert.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte das Treffen mit seinen Kollegen überraschend von der zauberhaften sardischen Insel La Maddalena in die Erdbebenstadt verlagert. Möglicherweise wollte der zuletzt durch Sexskandale und Nacktfotos am Swimming-Pool angeschlagene Regierungschef lediglich weitere Badebilder verhindern. Offizieller Grund aber war die Solidarität mit der Anfang April durch ein Beben zerstörten Region, in der immer noch Zehntausende Menschen obdachlos sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird unmittelbar vor Beginn des G8-Gipfels der Ortschaft Onna nahe L'Aquila einen Besuch abstatten. Am 11. Juni 1944 hatte die Wehrmacht dort 17 Zivilisten massakriert. Beim Erdbeben wurden jetzt fast alle Gebäude des Dorfes dem Erdboden gleichgemacht, über 40 der zuvor knapp 300 Bewohner kamen ums Leben. Deutschland hat seine Wiederaufbauhilfe daher auf den Ort konzentriert.

«Wir sind voller Zutrauen zu dem italienischen Gastgeber, der mit viel Energie den Tagungsort verlegt hat, um ein politisches Zeichen zu setzen«, hieß es vor dem Gipfel von deutscher Regierungsseite. Jegliche Zweifel an den politischen Qualitäten des schillernden Regierungschefs wurden in Berlin zurückgewiesen. Berlusconi habe keineswegs nur ein Interesse an schönen Fotos, sondern sei ein «sehr guter» und «sehr engagierter» Verhandler. Der G8-Gipfel werde Erfolge zeitigen und keineswegs der letzte seiner Art sein.

Merkel hatte allerdings schon kürzlich im Bundestag klar gestellt, wohin die diplomatische Reise geht: »Der Gipfel in L'Aquila wird deutlich machen, dass dieses G8-Format nicht mehr ausreicht«. Die Welt wachse zusammen, die Probleme könnten »von den Industrieländern nicht mehr allein gelöst werden», betonte die Kanzlerin.

Der unter deutscher G8-Präsidentschaft vor zwei Jahren ins Leben gerufene Heiligendammprozess geht folgerichtig in 'LAquila in die nächste Runde. Die Verlängerung des Dialogs mit den Schwellenländern Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika um weitere zwei Jahre wird ein Ergebnis des Gipfels sein. Auch das Spitzentreffen selbst steht ganz im Zeichen erweiterter Gesprächsrunden.

Zu Beginn werden die Staats- und Regierungschefs der USA, Deutschlands, Japans, Großbritanniens, Kanadas, Frankreichs und Italiens sowie Russlands noch unter sich über die in die Krise geratene Weltwirtschaft, den Klimawandel und die Entwicklungshilfe beraten. Bei einem Abendessen stehen außenpolitische Konfliktherde wie Iran, Nahost, Afghanistan und Nordkorea und Fragen der Abrüstung auf dem Programm.

Bereits am zweiten Tag des Gipfels wird die G8-Runde dann aber erneut um Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika (G5) erweitert. Auf Wunsch Berlusconis nimmt auch Ägyptens Staatspräsident Husni Mubarak an den Gesprächen über die Weltwirtschaft teil. Zu einem Arbeitsessen sind ferner Vertreter internationaler Organisationen geladen.

Die zuletzt schleppend verlaufene Klimadebatte soll schließlich im sogenannten «Major Economies Forum» (MEF) wieder in Gang gebracht werden. Damit sind neben G8 und G5 auch Australien, Indonesien und Südkorea dabei, später werden die Dänen als Gastgeber der Klimakonferenz von Kopenhagen hinzugebeten. Dort soll im Dezember eine Nachfolgevereinbarung des sogenannten Kyoto-Protokolls ausgehandelt werden.

Am Freitag geht es in L'Aquila um die gesicherte Ernährung der Menschheit und um Afrika. Am Verhandlungstisch sitzen dann die MEF-Mitglieder sowie Ägypten, Äthiopien, Algerien, Angola, Niederlande, Nigeria, Senegal, Spanien, Türkei sowie die Vertreter mehrerer internationaler Organisationen.

Auch der Staatschef Libyens und derzeitige Präsident der Afrikanischen Union, Muammar al-Gaddafi, ist mitsamt seinem Regierungsbaldachin in den Abruzzen mit von der Partie. Dies könnte bei weiteren Erdstößen durchaus ein Vorteil sein, meinten deutsche Regierungsvertreter scherzhaft. Notfalls könnte der Gipfel dann ja in ein Zelt flüchten, und zwar in «das von Gaddafi vielleicht».


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