Die EKD mahnt Nachhaltigkeit im Kampf gegen die Krise an

"Hurrikans in dichter Folge"

In der Krise gibt sich die Evangelische Kirche in Deutschland prophetisch. "Wie ein Riss in einer hohen Mauer", betitelt der Rat der EKD ein am Donnerstag veröffentlichtes Wort zur Finanzkrise. Die Botschaft: Über eine - gewiss notwendige - kurzfristige Krisenbewältigung hinaus ist ein gründlicher Wandel gefragt.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Damit greift er zurück auf eine Mahnung des Propheten Jesaja. Vor mehr als 2.500 Jahren kleidete er das Verhängnis seines Volkes in das Bild vom Riss in der Mauer - zunächst kaum sichtbar, dann rieselt der Mörtel, bis die Mauer stürzt.

Die aktuelle Botschaft der Kirche: Über eine - gewiss notwendige - kurzfristige Krisenbewältigung hinaus ist ein gründlicher Wandel des Denkens und Handelns gefragt. Um auszumalen, was ansonsten droht, zieht Bischof Wolfgang Huber den Vergleich zur Klimakrise. "Ich warne vor wirtschaftspolitischen Hurrikans in dichter Folge - falls nichts passiert."

So legt der Rat auf 24 Seiten "zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise" einen Schwerpunkt auf die Nachhaltigkeit. Das neudeutsche Modewort meint bei der Diskussion um die Krisenverschuldung vor allem die Generationengerechtigkeit und die Effekte der unternommenen Schritte oder Schnitte. Sie prägen die Stellungnahme ebenso wie Mahnungen zur internationalen Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, benennt das Dokument gegen Ende zehn Orientierungspunkte, die ein wenig wirken wie zehn Gebote in der Krise: von der Absage an neue Finanzblasen oder Steueroasen über faire Rahmenordnungen für die Märkte und stabile sozialstaatliche Sicherungssysteme bis zur "moralischen Prägung und dem ethischen Verhalten der Verantwortungsträger". Das Insistieren auf der Verantwortung von Entscheidungsträgern bildet einen Fokus des Textes.

Aus der Krise lernen
"Verantwortung bedeutet, aus der Krise zu lernen und im Sinn nachhaltigen Wirtschaftens umzusteuern", mahnt Huber. Vieles an dem Text ist geprägt von seinem Stil. Wer genau aus dem Kreis der 15 Ratsmitglieder zur Gruppe der Autoren zählt, lässt der 66-Jährige auch auf Nachfrage offen. So mag er das Dokument, eine der letzten offiziellen EKD-Verlautbarungen vor dem Ende der Amtszeit des Ratsvorsitzenden Huber im Herbst, geprägt haben.

Schließlich bedeutet das Papier eine Fortschreibung und eigentlich auch eine Korrektur: Denn vor einem Jahr, Monate bevor Lehman Brothers Pleite ging und die Finanzblase platzte, legte die EKD eine sozialethische Denkschrift zum Unternehmertum vor. Auch damals war schon von "nachhaltiger ökologisch-sozialer Marktwirtschaft" die Rede. Aber das Papier verfocht doch Marktgedanken so, dass es kirchenintern bald deutliche Kritik gab. Vielleicht war es auch dieser Disput, der dann im Winter den Ton von Huber über Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und seiner 25-Prozent-Rendite härter werden ließ, bis hin zum Vorwurf des "Götzendienstes".

Warten auf die katholische Perspektive
Das "umfassende Umsteuern", das sich jetzt findet, las sich vor einem Jahr jedenfalls noch nicht so deutlich. Huber stellte das nach seinen Angaben binnen weniger Monate vorbereitete Wort bewusst am Tag des jährlichen Johannisempfangs der EKD vor. Am Abend kamen neben Bundespräsident Horst Köhler auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und diverse schwarze und rote Minister ihres Kabinetts zum Gendarmenmarkt in der Mitte Berlins. Ihnen wollte er das Dokument als Mahnung mitgeben können.

"Angesichts dieser Kurzfristigkeit", so der EKD-Ratsvorsitzende, habe es auch nicht die Idee gegeben, mit den katholischen Bischöfen gemeinsam Stellung zu beziehen, wie es 1997 und 2006 zu gesellschaftlichen Grundfragen erfolgte. So bleibt es trotz der so schweren Krise beim konfessionellen Papier. Und gewiss nur der Zufall will es, dass es fünf Tage nach der protestantischen Mahnung die katholische Perspektive geben wird. Dann stellt der Vatikan die seit Jahren erarbeitete und seit langem erwartete Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. vor.