Kabinett billigt Rekordneuverschuldung - Bruder Paulus: "Unverantwortlich"

Auf die Schultern kommender Generationen

Das Bundeskabinett hat die höchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Die Ministerrunde billigte den Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück für 2010, der für den Bund eine Neuverschuldung in Höhe von rund 86 Milliarden Euro vorsieht. Die Opposition warf Steinbrück vor, sein Etatplan sei unsolide. Im domradio-Interview nennt Kapuzinermönch Bruder Paulus Terwitte das Vorgehen der Regierung "unverantwortlich" gegenüber kommenden Generationen und fordert eine "neue Bürgerbewegung".

 (DR)

Für 2010 plant die Bundesregierung dem Entwurf zufolge Ausgaben in Höhe von 327,7 Milliarden Euro, rund 24,5 Milliarden Euro und damit acht Prozent mehr als noch 2009. Bruder Paulus Terwitte ist Kapuziner und schreibt Bücher zum Thema Spiritualität und Ethik. Er wirft den Verantwortlichen vor, es sei nicht richtig und unverantwortlich, "dass wir nur auf uns schauen und Entscheidungen treffen, die uns jetzt hier helfen aber die andere dann tragen müssen. Wir wissen, dass es in Deutschland nicht so viele Kinder gibt um die Alterssicherung wirklich zu gewährleisten." Es sei nicht zu verstehen, warum nun künftige Generationen neben der Rentenbelastung auch noch die Schuldenbelastung tragen muss. Forderungen nach einer Reichensteuer halte er für populistisch.

Verantwortlich für die nun nötigen Schulden seien Unternehmen, die sich "in größenwahnsinniger Weise Zukäufe geleistet, Gelder gehortet und sie nicht mit den Arbeitnehmern geteilt haben. Unternehmen, die gefährliche Kapitalformen in die Firmen geholt haben und nun am Ende sind. Die sind verantwortlich, müssen jetzt die Konsequenzen ziehen, in die Insolvenz gehen und Platz für neue Ideen schaffen." Es sei nun an der Zeit, dass sich in Deutschland eine neue Bürgerbewegung formiere, die die Politik auffordert, die Wahrheit zu sagen. Denn schon das Evangelium wisse: "Nur die Wahrheit macht frei".

Opposition empört
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Koppelin, bemängelte, die Haushaltsprobleme seien «zu einem großen Teil hausgemacht und von einer mangelnden Ausgabendisziplin gekennzeichnet». Er kritisierte insbesondere die fehlende Gegenfinanzierung für das Anfang Juni beschlossene Bildungspaket, das Ausgaben in Höhe von 18 Milliarden Euro von 2011 bis 2019 vorsieht. Auch der Gesundheitsfonds erweise sich als «schwerwiegende haushaltspolitische» Bürde. «Der Haushalt des Bundes ist ein schwerer Sanierungsfall geworden», sagte Koppelin und forderte eine Überarbeitung nach der Bundestagswahl.

Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, kritisierte, es sei zu kurz gegriffen, «die Schuld allein in der Finanzkrise zu suchen». Stattdessen fordere eine «verfehlte Steuerpolitik» mit «Steuergeschenken in Milliardenhöhe an Banken und Konzerne» ihren Tribut. Bartsch warb für ein «verteilungsgerechtes Steuersystem», welches "kleine und mittlere Einkommensbezieher entlastet und Vermögende und steuerlich Leistungsfähige stärker belastet».

Steinbrück verteidigte dagegegn die Finanzpolitik der Bundesregierung. Er betonte, dass die Neuverschuldung für das kommende Jahr bei normaler Konjunkturlage bei sechs Milliarden Euro gelegen hätte. Die Rezession treffe Deutschland weitaus stärker als erwartet, sagte Steinbrück zur Begründung. Insgesamt sei die Grundorientierung der Regierung in der Krisenbewältigung richtig gewesen. Das Notwendige sei getan worden, sagte Steinbrück und fügte hinzu: «Ich habe die Hoffnung, dass es auch hinreichend ist.»

CDU-Haushaltspolitiker bezeichneten den Haushaltsentwurf als Aufforderung an die nächste Bundesregierung, so schnell wie möglich wieder zurück auf den Wachstumspfad zu finden. «Ohne Wachstum werden wir die politischen Zielsetzungen für die nächste Legislaturperiode nicht erreichen können», sagte der Unions-Haushaltsexperte Steffen Kampeter (CDU). Deshalb sei es auch konsequent, Steuererleichterungen zu fordern, aber kein präzises Datum für diese Maßnahmen anzugeben.

Steinbrück erteilte Forderungen nach Steuersenkungen jedoch eine klare Absage. Vollmundige Versprechen abzugeben sei derzeit «sehr waghalsig», sagte der Minister und warb stattdessen für eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. «Für uns ist es wichtig gewesen, die Schuldenbremse zu verankern, um deutlich zu machen, dass die Konsolidierung nicht aus dem Auge verloren ist», sagte Steinbrück.