Bischof Müller fordert Weiheverzicht von Piusbrüdern

"Einmalige Chance nutzen"

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat die traditionalistische Piusbruderschaft aufgefordert, ihre in diesen Tagen geplanten Priesterweihen abzusagen. Sie sollten jetzt die "einmalige Chance" zur vollen Rückkehr in die katholische Kirche nutzen und ein Zeichen setzen, dass sie es ernst meinen. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläuterte Müller am Donnerstag in Regensburg unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Rom die theologische und kirchenrechtliche Lage.

 (DR)

KNA: Herr Bischof, der Vatikan hat am Mittwoch die geplanten Priesterweihen der nach wie vor suspendierten Bischöfe der Piusbruderschaft für illegitim erklärt. Gibt es einen Unterschied zwischen "nicht erlaubt" und "verboten"?
Müller: Nein, das sind sophistische Wortspiele. Keine verantwortliche Stelle im Vatikan hat den Piusbrüdern in irgendeiner Weise ein Placet zu ihren Weihen signalisiert. Die Stimmen, auf die sie sich berufen, gibt es entweder nicht oder sie sind nicht zuständig. Es gibt hier kein Schlupfloch, auf das sie sich berufen könnten.

KNA: Die Bruderschaft reklamiert für sich einen provisorischen kirchenrechtlichen Status bis zur endgültigen Klärung der Differenzen.
Müller: Das ist eine fadenscheinige Theorie. Die Glaubenskongregation, der ich angehöre und die künftig für die Traditionalisten zuständig ist, hat vor zwei Monaten Richtlinien festgelegt. Diese stellen fest, was auch am Mittwoch vom Pressesaal in Rom bekanntgegeben wurde, nämlich, dass die Weihen nach wie vor unerlaubt sind. Sowohl die Kandidaten wie die weihenden Bischöfe brauchen dafür eine ausdrückliche Erlaubnis des Ortsbischofs, so wie es etwa auch bei Ordensgemeinschaften der Fall ist. Papst Benedikt XVI. hat dies ausdrücklich gebilligt.

KNA: Ein anderes Argument, mit dem sich die Piusbrüder rechtfertigen, ist eine Art Notstand.
Müller: Das mag deren subjektive Sicht sein. Ein solcher ist objektiv aber in keiner Weise greifbar. Es gibt keine äußere Bedrückung der Kirche, wie es etwa in der Tschechoslowakei zu Zeiten des Eisernen Vorhangs der Fall war, wo geheim Priester geweiht wurden. Es stimmt, dass das Kirchenrecht Notstandshandlungen kennt. Aber die Feststellung, ob dafür die Voraussetzungen vorliegen, steht den Piusbrüdern in keiner Weise zu.

KNA: Was ist Ihre Botschaft an die Bruderschaft?
Müller: Ich fordere sie erneut dazu auf, ihre Priesterweihen unverzüglich abzusagen. Sie sollten verschoben werden, bis die noch gar nicht begonnenen Gespräche mit der Glaubenskongregation erfolgreich abgeschlossen sind. So könnten sie die einmalige Chance nutzen, in die Einheit der Kirche zurückzukehren. Der Kirche und sich selbst würden sie damit einen großen Gefallen tun. Ihrem Lippenbekenntnis, wonach sie den Papst als Autorität anerkennen, müssen jetzt auch Taten folgen. Wenn sie voll katholisch sein wollen, gehört dazu die Anerkennung der sakramentalen und kanonischen Ordnung.

KNA: Das Gespräch über die bestehenden theologischen Differenzen könnte noch Jahre dauern, sagen manche.
Müller: Dem stimme ich nicht zu. Das sollte in kürzester Zeit erledigt werden. Es geht ja hier nicht wie im ökumenischen Dialog um hochkomplexe unterschiedliche theologische Konzeptionen. Die Piusbrüder haben sich in die Kirche einzureihen, nicht umgekehrt. Es ist natürlich psychologisch schwierig, einzugestehen, dass man die letzten 30 Jahre in eine falsche Richtung gegangen ist. Sie müssten sich jetzt aus dem Netz befreien, das sie um sich herum gesponnen haben, und zeigen, dass sie es wirklich ernst meinen.

KNA: Und wenn sie doch Priester weihen?
Müller: Dann wäre das ein Akt der Widerspenstigkeit und ein Zeichen mangelnden Willens zur Einheit, der die weiteren Gespräche sicher nicht erleichtern würde. Dann hätte die Bruderschaft die großherzige Geste des Papstes, der die Exkommunikation ihrer Bischöfe aufhob, völlig falsch verstanden.

KNA: Die Weihen wären zwar rechtlich unerlaubt, aber dogmatisch dennoch gültig.

Müller: Diese Unterscheidung gibt es, aber man sollte mit ihr kein böses Spiel treiben, wie es die Piusbrüder bisher tun. Sie dient von ihrem ursprünglichen Sinn her dem Schutz der Gläubigen beim Empfang von Sakramenten. Wenn die Bruderschaft an ihren Weihen zum jetzigen Zeitpunkt festhält, missbraucht sie die Sakramente, weil sie sie nicht stiftungsgemäß verwaltet. Vielmehr würde sie eine Sektenkirche neben der Kirche gründen.

KNA: Wären erneute Sanktionen die Folge?
Müller: Nicht automatisch wie bei einer Bischofsweihe. Das Kirchenrecht sieht in einem solchen Fall die Suspendierung vor, aber suspendiert sind die Bischöfe der Piusbrüder unabhängig von der Aufhebung der Exkommunikation ohnehin.

KNA: Was ist aus Ihrer Sicht das größte Hindernis für den Aussöhnungsprozess?
Müller: Ein falscher Traditionsbegriff. Die Piusbrüder frieren die Überlieferung zu einem bestimmten Zeitpunkt ein und verkennen den Zusammenhang zwischen Offenbarung, Tradition und Lehramt. Dass mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der "Rauch des Satans" in die Kirche eingezogen sei, sehen sie nicht als Ausdruck einer Stimmungslage, sondern als absolutes Dogma an. Das ist ihr eigentliches Problem.