Bischof Wanke im domradio-Interview zu Europwahl und die Aussichten für Extreme

Keine Zukunft an den Rändern

Noch nicht mal jeder zweite Deutsche hat am Wochenende an der Europawahl teilgenommen. Im domradio-Interview spricht der Erfurter Bischof Joachim Wanke über mögliche Ursachen, die Perspektiven einer gemeinsamen Ost-West-Politik und warum Rechtsextreme keine Rolle spielen dürfen.

 (DR)

domradio: Herr Bischof Wanke, Sie hatten vor der Europawahl Ihren jährlichen Empfang des Bistums Erfurt, wo Sie unter anderem dazu aufgerufen haben sich an der Wahl zu beteiligen, die Chancen der Demokratie zu nutzen, gerade in Hinblick auf 20 Jahre Mauerfall. Das heißt 20 Jahre auch - selbst in Erfurt - dass man eine richtige Demokratie erlebt. Wir haben jetzt nach der Europawahl erneut eine schmerzhafte Erfahrung machen müssen. Es haben sich nur 42,5 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl beteiligt. Welche Signale sehen Sie daraus?
Wanke: Wir hatten nun in Thüringen auch die Kommunalwahlen, das war für mich ein doppeltes Anliegen zur Wahlbeteiligung aufzurufen. Ich denke Europa ist schwieriger zu vermitteln, als vielleicht die Wahlen zu einem Landtag oder natürlich die Wahlen zum Bundestag. Da wird die Wahlbeteiligung höher sein. Aber ich meine, dass es uns gelingen muss auch deutlich zu machen, dass wir nicht nur Gebende in Europa sind, sondern auch Empfangende. Von daher ist es wichtig deutlich zu machen, wir werden in unserem Land nur Zukunft gewinnen, wenn wir die europäische Perspektive gewinnen und auch immer mehr lernen, ein Teil Europas zu werden.

domradio: Jetzt gibt es in Deutschland auch einige Regionen die wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt sind, gerade eben die Grenzregion nach Polen hin, wo ja auch zum Teil rechtsradikale Parteien etwas mehr Fuß gefasst haben. Was würden Sie den Menschen dort vermitteln damit eben hier kein Nährboden für solche unterwandernden Parteien entstehen kann?
Wanke: Wir sollten uns freuen, wenn es anderen Regionen Europas auch wirtschaftlich besser geht. Man kann sich nur freuen, wenn man dort neue Werke sieht, wenn Arbeitsplätze entstehen. Das kommt uns aufs Ganze gesehen und auf die Länge der Zeit allen zu Gute. Von daher sind solche Lösungen, wie Abschottungen, oder dass man sich Fremden gegenüber feindlich verhält, keine Lösungen der anstehenden Probleme. Wir müssen gemeinsam Zukunft gewinnen - und das gilt auch für die Ost-West-Perspektive.

domradio: Ihr Kollege in Görlitz hat sich ganz vehement gegen diese Radikalisierung bzw. diese Fremdenfeindlichkeit gewehrt. Gibt es ähnliche Tendenzen bei Ihnen in der Diözese, dass so was zu sehen ist?
Wanke: Ich habe mit Freuden festgestellt, dass doch die Stimmen für die extremistischen Gruppierungen relativ gering ausgefallen sind. Es ist wohl in einigen Kommunalvertretungen, dem ein oder anderen Vertreter gelungen dort Fuß zu fassen. Aber aufs Ganze gesehen spielen diese Stimmen keine Rolle. Und ich glaube, das ist auch in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Hier wird an den Rändern keine Zukunft geboten.

domradio: Christentum und Europa sind eng miteinander verwurzelt. Dennoch gibt es einige Differenzen. Nehmen wir zum Beispiel den Gottesbegriff in der Verfassung, aber auch andere Dinge. Da stoßen verschiedene zum Teil auch nationale Interessen der einzelnen Länder aufeinander. Welche Chancen sehen Sie für das Christentum in Europa, auch Grenzenübergreifend, gerade auch von uns Katholiken, hier am Aufbau Europas mit zu wirken und diesen mit zu gestalten?
Wanke: Sie haben Recht, dass verschiedene geschichtliche Traditionen uns bestimmen. Aber die Wurzeln und das Fundament im christlichen Glauben, genauso natürlich wie in der jüdischen Tradition und in dem antiken Erbe, das wir besitzen, das ist ja gegeben, das ist eine Wirklichkeit. Die Frage ist nur, was wir daraus machen und wie wir das gestalten. Und darum gehört zum Europa der Zukunft auch das christliche Erbe und wir können nur die großen Konfessionen, die lateinische Kirche, die reformierten Kirchen, die Orthodoxie ermuntern, dass sie sich hier einbringen auch in das Gespräch der Geister heute, dass sie die Gottesverkündigung auf dem Niveau der Zeit vorantreiben und die Menschen zu gewinnen versuchen, dass im Gotteshorizont auch gesellschaftlich Zukunft zu gewinnen ist.